Fr, 20.07.2018 , 08:17 Uhr

Söder schreibt 300 000 Reklamebriefe an Eltern - Opposition sauer

Kurz vor der Landtagswahl lässt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) über eine Staatsbehörde fast 300 000 Reklamebriefe für das neue Familiengeld verschicken. Darin preist Söder das «Familienland Bayern» an – SPD, Grüne und Freie Wähler im Landtag werfen dem Regierungschef deswegen vor, gegen die Richtlinien der Staatsregierung zur Neutralitätspflicht vor Landtagswahlen zu verstoßen. Die Staatsregierung weist das zurück.

Ab 1. September zahlt der Freistaat allen Eltern mit Kleinkindern unter drei Jahren 250 Euro pro Monat. «Das Bayerische Familiengeld zeigt, wofür das Familienland Bayern steht: Beste Startchancen für Kinder, Wertschätzung der Eltern und Anerkennung ihrer täglichen unverzichtbaren Erziehungsleistung», heißt es in dem Schreiben, das vom Nürnberger Zentrum Bayern Familie und Soziales an Eltern kleiner Kinder im ganzen Freistaat versandt wird – unterzeichnet von Söder und Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU).

Die Opposition sieht darin CSU-Wahlwerbung. «Es ist befremdlich, dass Dr. Söders Wahlkampfbriefe auf Kosten des Steuerzahlers verschickt werden», wirft SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher dem Ministerpräsidenten vor. «Die meisten Familien in Bayern würden einen zuverlässigen Kinderbetreuungsplatz den Geldscheinen Dr. Söders vorziehen.» Für den Ausbau der Kinderbetreuung gebe es im Nachtragshaushalt nicht einen einzigen Cent.

«Die Staatskanzlei orchestriert zentral eine riesige PR-Maschinerie in den Ministerien und singt auf allen Kanälen das Hohelied vom Söder», sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. «Da ist die Grenze meiner Meinung nach überschritten», meinte auch Michael Piazolo, Generalsekretär der Freien Wähler. Die Staatsregierung habe selbst vorgegeben, dass fünf Monate vor Landtagswahlen für die Behörden ein «erhöhtes Neutralitätsgebot» gelte.

Die Opposition bezweifelt die Notwendigkeit des Briefs. Denn an sachlicher Information wird den Empfängern des bisherigen Elterngelds lediglich mitgeteilt, dass sie nichts unternehmen müssen. Das Sozialministerium weist die Vorwürfe zurück: «Bei uns fragen viele Eltern nach, wie sie das Familiengeld beantragen können. Deshalb wollen wir aktiv darüber informieren, dass sie nichts tun müssen», erklärt eine Sprecherin.

Nach den Richtlinien der Staatsregierung darf «staatliches Informationsmaterial nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Staatsregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte», wie es in einem Merkblatt der Staatskanzlei heißt.

Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) sagt dazu: «Diese Regierung ist für rund 200 Tage im Amt. Wir sind aufgerufen, in diesen 200 Tagen das bestmögliche Ergebnis für Bayern abzuliefern, und das werden wir tun.»
Laut Ministerium wurde der Brief an 299 699 Haushalte verschickt – das entspricht in etwa der Zahl der Geburten seit dem Sommer 2016.

dpa/MF

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