Fr, 17.02.2023 , 12:10 Uhr

Viele Fälle in Regensburg

Schlag gegen Cyberkriminalität: Anklage gegen Betrüger erhoben

Mehrere Männer haben Anleger um viele Millionen betrogen - jetzt müssen sie sich dafür verantworten.

Die bayerische Spezialstaatsanwaltschaft für Cyberkriminalität hat bereits Ende des Jahres Anklage gegen mutmaßliche Verantwortliche von betrügerischen Anlage-Plattformen im Netz erhoben: Sie sollen zahlreiche Kunden getäuscht und mehr als 76 Millionen Euro weltweit einkassiert haben.

Sie sollen Kunden dazu bewegt haben, im Vertrauen auf lukrative Anlagemöglichkeiten teilweise hohe Geldsummen zu investieren. Ende 2022 habe man Anklage gegen zwei 34 Jahre alte Männer und einen 62 Jahre alten Mann erhoben, teilte Thomas Goger, Sprecher der Zentralstelle Cybercrime, am Freitag in Bamberg mit. Sie sollen von 2015 an Callcenter in Israel, Georgien, in der Republik Moldau und in Armenien eingerichtet haben, um von dort aus um Kunden zu werben. Die Gruppe soll für eine Vielzahl von betrügerischen Anlage-Plattformen im Internet verantwortlich gewesen sein.

Den Männern wird unter anderem gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Sie waren 2021 in Slowenien, Italien und Israel festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert worden.

Cybertrading – Betrüger locken auf professionell gemachten Online-Plattformen mit angeblich profitablen Anlageprodukten – gehört zu den klassischen Feldern der organisierten Online-Kriminalität. Zehntausende Anleger seien allein in Deutschland betroffen, hieß es weiter. Viele Opfer gab es laut Generalstaatsanwaltschat Bamberg auch in der Oberpfalz beziehungsweise in Regensburg.

Prozessbeginn im Landesgericht Regensburg soll laut Medienberichten im April sein.

dpa/JM

 

Offizielle Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschat Bamberg

Anklageerhebungen gegen mutmaßliche Verantwortliche der betrügerischen Cybertrading-Plattform GetFinancial zum Landgericht Regensburg

Bamberg/Regensburg. Nach umfangreichen und langwierigen Ermittlungen gemeinsam mit der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Oberpfalz hat die Zentralstelle Cybercrime Bayern bereits Ende des Jahres 2022 Anklagen gegen mutmaßliche Verantwortliche der betrügerischen Anlageplattform GetFinancial zu einer Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg erhoben.

Verantworten müssen sich in einem Verfahren israelische Staatsangehörige im Alter von 34, 34 und 62 Jahren. Die Männer sollen 2015 in unterschiedlichen Rollen in das Geschäft mit betrügerischen Anlageplattformen eingestiegen und bereits damals ein erstes Callcenter in Israel gegründet haben. Weitere Callcenter sollen in den Folgejahren auch in Georgien, in der Republik Moldau und in Armenien eingerichtet worden sein. Aus diesen Callcentern heraus wurden gutgläubige Kunden dazu bewegt, auf einer Vielzahl von betrügerischen Plattformen (sog. „Brands“) im Vertrauen auf eine lukrative Anlagemöglichkeit teilweise hohe Geldsummen zu investieren („Cybertrading“).

Der Tatablauf des betrügerischen Cybertradings gestaltet sich in seiner Grundstruktur regelmäßig gleich. Die Täter spiegeln den potenziellen Kunden vor, digitale Plattformen für den Handel mit unterschiedlichsten Finanzinstrumenten (bis zu deren Untersagung vor allem binäre Optionen, nunmehr insbesondere CFDs, Forex, Kryptowährungen) zur Verfügung zu stellen. Eine Investition bzw. eine Platzierung von Optionen sowie ein Vorhalten von Anleger-geldern zur Rückzahlung bzw. zur Gewinnausschüttung finden in Wahrheit nicht statt. Die eingezahlten Gelder werden zu keinem Zeitpunkt einer Kapitalanlage zugeführt, die für den Kunden sichtbare Handelsplattform ist ebenso wie das angebliche Kundenkonto eine reine Täuschung. In einer Vielzahl von Fällen kommt es nach einzelnen missglückten angeblichen Trades zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

Von dem Deliktsphänomen, das der internationalen organisierten Cyber-Kriminalität zuzurechnen ist, sind allein in Deutschland zehntausende Anleger betroffen. In zahlreichen anderen europäischen Ländern finden sich unzählige weitere Geschädigte. Das Dunkelfeld ist beträchtlich, da vielen Anlegern das (vermeintlich) hohe Verlustrisiko der gewählten Investmentart bekannt ist und sie irrtümlich davon ausgehen, dass sich eben dieses Risiko verwirklicht hat.

Die Gruppierung soll für folgende betrügerische Anlageplattformen verantwortlich sein:

• TradeSolid und SolidCFD (mit Einzahlungen von getäuschten Kunden weltweit in Höhe von mindestens 3,8 Mio. EUR)
• IntegraOption und FXIntegra (mindestens 113.880 EUR)
• TechOption (mindestens 175.000 EUR)
• GetFinancial unter den Domains getfinancial.com und get-financial.com (mindestens 16 Mio. EUR)
• ProCapitalMarkets (mindestens 7,1 Mio. EUR)
• GainFinTech (mindestens 2,7 Mio. EUR)
• MyCoinBanking (mindestens 15,1 Mio. EUR)
• AccepTrade (mindestens 3,0 Mio. EUR)
• ProfitsTrade (mindestens 25,2 Mio. EUR)
• CoinsBanking (mindestens 3,4 Mio. EUR)

Den drei Angeschuldigten wird in diesem Verfahren u. a. gewerbs- und bandenmäßiger Betrug in 8 Fällen vorgeworfen. Sie wurden 2021 in Slowenien, Italien und Israel festgenommen und in der Folge auf Betreiben der Zentralstelle Cybercrime Bayern nach Deutschland aus-geliefert.

In einem separaten Verfahren muss sich ein 44-jähriger ukrainischer und israelischer Staatsangehöriger verantworten, der 2019 zu der Tätergruppe hinzugestoßen und für Webekampagnen verantwortlich gewesen sein soll. Unter seiner Führung sollen Marketingabteilungen in Tiflis und Kiew nicht nur die Webseiten der betrügerischen Anlageplattformen vorbereitet haben, sondern auch Werbeseiten, auf denen potentiellen Kunden Investitionsgewinne versprochen wurden und auf denen sie ihre Telefonnummer und E-Mail-Adressen hinterlassen konnten. Daneben soll er Fake-Profile auf Facebook und in Bewertungsforen erschaffen haben, um dort für positive Bewertungen der Anlageplattformen der Gruppierung zu sorgen. Ihm wird unter anderem der gewerbs- und bandenmäßige Betrug in fünf Fällen vorgeworfen. Der Mann wurde Ende Februar 2022 bei der Ausreise aus der Ukraine in Polen festgenommen und von dort am 15.03.2022 nach Deutschland ausgeliefert.

Schließlich wurde in einem weiteren Verfahren eine 30-jährige Russin angeklagt, die im Dezember 2018 als Managerin für das IT-Entwicklerteam der Gruppe eingestellt worden sein soll. Aufgabe dieses Teams war es unter anderem, Zahlungsdienstleistern den Zugang zum Kundenverwaltungssystem zu ermöglichen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen für die Mitarbeiter der Callcenter zu beschaffen und zu verwalten und das Kundenverwaltungssystem fortzuentwickeln. Sie wurde in Georgien festgenommen, im Mai 2022 nach Deutschland ausgeliefert und muss sich nunmehr unter anderem wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in sechs Fällen verantworten.

Gegen weitere Mitglieder der Tätergruppierung dauern die Ermittlungen der Zentralstelle Cybercrime Bayern und der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Oberpfalz an. Weitere Auslieferungen sind in Vorbereitung.

Zur Übersicht

Das könnte Dich auch interessieren

17.05.2024 Regensburg: Tote 19-Jährige in Kofferraum - Zeugen gesucht Am 4. Mai 2024 wurde eine 19-jährige Frau tot im Kofferraum ihres Autos in Regensburg gefunden. Ein 55-jähriger Verdächtiger wurde festgenommen. Die Polizei bittet um Hinweise von Zeugen, die am 3. und 4. Mai mit der Buslinie 41 nach Schwandorf gefahren sind oder in der Tiefgarage waren. 06.05.2024 Maxhütte-Haidhof/Regensburg: Seniorin übergibt mehrere tausend Euro an Betrüger Eine Seniorin hat in Regensburg mehrere tausend Euro an Betrüger übergeben. 29.04.2024 Oberpfalz: Schwerpunktmonat „Radverkehrssicherheit“ im Mai Mit dem Frühling und dem wärmeren Wetter startet auch wieder die Fahrradsaison. Das Polizeipräsidium Oberpfalz setzt im Mai deshalb den Fokus auf die Radverkehrssicherheit und nimmt an der bayernweiten Schwerpunktaktion teil. 25.04.2024 Auch in Regensburg: Prozess wegen Geldautomaten-Sprengungen in ganz Deutschland gestartet 16 Angeklagte stehen ab heute vor dem Landgericht Bamberg: Zwischen 2021 und 2023 sollen sie 30 Geldautomaten in ganz Deutschland gesprengt haben. Darunter ist auch einer in Regensburg. Der Prozess wird voraussichtlich bis Ende des Jahres dauern.