Do., 24.07.2025 , 11:49 Uhr

Regensburg / Kelheim: Offener Brief der Landräte

Die Landräte der Landkreise Regensburg und Kelheim wenden sich mit einem offenen Brief an Bundeskanzler, den Bundesinnenminister und den Bayerischen Ministerpräsidenten. Sie sorgen sich zunehmend um die finanzielle Situation in den Kommunen.

Regensburgs Landrätin Tanja Schweiger und Kelheims Landrat Martin Neumeyer haben einen offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verfasst. In dem Brief kritisieren die Landräte die finanzielle Perspektivlosigkeit der Kommunen – insbesondere auf der Ebene der Landkreise und Gemeinden. Kritisiert wird auch u.a. das Bundesteilhabegesetz, das für die Kommunen zu mehr Auf- und Ausgaben führe, eine nötige Gegenfinanzierung durch Bund und Länder bliebe aber aus.

Die beiden Landräte warnen eindringlich davor, dass die finanziellen Spielräume der Landkreise nahezu ausgeschöpft sind. Auch die kreisangehörigen Gemeinden seien aufgrund ihrer angespannten Haushaltslage kaum noch in der Lage, weitere Umlagesteigerungen zu verkraften. Ohne eine grundlegende Veränderung auf übergeordneter Ebene sehen sie die Funktionsfähigkeit der kommunalen Strukturen gefährdet.

Daher fordern sie konkrete Maßnahmen von Bund und Freistaat: Insbesondere müsse die Kostenbeteiligung bei der Eingliederungshilfe dauerhaft mindestens 35 Prozent betragen. Zudem sei eine Gesetzesinitiative notwendig, um die finanziellen Belastungen der Kommunen dauerhaft zu begrenzen und ihnen wieder eine tragfähige Perspektive zu geben.

 

Hier lesen Sie den vollständigen offenen Brief der Landräte:

 

Landkreis Kelheim                        Landkreis Regensburg

an
Herrn Bundeskanzler Friedrich Merz,
Herrn Bundesminister des Innern Alexander Dobrindt,
Herrn Ministerpräsident des Freistaats Bayern Dr. Markus Söder

 

Kelheim/Regensburg, den 11.07.2025

Finanzielle Perspektivlosigkeit der Kommunen; Notwendigkeit der Änderungen auf Bundes- und Landesebene

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz,
Sehr geehrter Herr Bundesminister des Innern Dobrindt,
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,

 

wir wenden uns heute an Sie, weil wir die Situation der Kommunen als aussichtslos bewerten und aktuell keine Aussicht auf Änderung auf Bundes- oder Landesebene
sehen. Als langjährige Landräte unserer Kreise sind wir mit einer sich stetig zuspitzenden finanziellen Situation konfrontiert. Konkret möchten wir Ihnen die Situation im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe darlegen. 2017 wurde das Bundesteilhabegesetz eingeführt, es ist in vier Stufen in Kraft getreten. Die Kommunen hatten damals Sorge, dass zusätzliche Aufgaben und auch Ausgaben auf sie zukommen. Innerhalb des Landkreistages wurde offen diskutiert, ob man gegen den Freistaat klagen soll, weil wir die Konnexität in Gefahr sahen. Viele waren der Meinung, dass das Bundesteilhabegesetz über die Länder die Kommunen belastet und dies konnexitätsrelevant sei. Aufgrund der guten Beziehung zwischen den bayerischen Kommunen und der bayerischen beschreiten. Man hat sich aber verständigt, die Situation zu beobachten. Es bleibt festzuhalten: Bundesgesetze, wie das Bundesteilhabgesetz, bürden den Kommunen immer mehr Aufgaben auf, die oft den bürokratischen Aufwand erhöhen. Hinzu kommen signifikant steigende Fallzahlen in den Bereichen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Ausgaben der Bezirke Oberpfalz und Niederbayern für die Eingliederungshilfe signifikant angewachsen sind und die Mitfinanzierung von Bund und Land sukzessive zurückgeht. Als Beispiel sei das Anwachsen der Ausgaben des Bezirks Oberpfalz von 240 Millionen Euro (2018) auf rund 390 Millionen Euro (2025) zu nennen. Aufgrund dieser Kostensteigerungen setzt sich eine Spirale in Gang, die in dramatischer finanzieller Weise auf die Landkreise durchschlägt – und zuletzt auch die Gemeinden enorm betrifft: Der Bezirk Niederbayern hat seinen Umlagesatz um 1,4 Prozent erhöht, der Bezirk Oberpfalz um gar 3,9 Prozent, um einen ausgeglichenen Haushalt 2025 vorlegen zu können. Mit 37,6 Millionen Euro ist die Bezirksumlage der größte Ausgabeposten im Kelheimer Kreishaushalt, mit 62,1 Millionen Euro der Größte im Landkreis Regensburg. Was sich auf Bezirksebene darstellt, spiegelt sich in unseren Landkreisen im Bereich der Jugendhilfe wieder. Eine der größten Herausforderungen unserer Haushalte ist die Finanzierung der anfallenden Kosten in diesem Bereich. Kostensteigerungen im laufenden Jahr durch steigende Fallzahlen und steigende Tarife der Träger, die zum Beispiel Schulbegleitung und andere Dienste für uns erfüllen, führen dazu, dass die Landkreishaushalte in den kommenden Jahren hier noch größere Finanzmittelbedarfe decken müssen. Alleine im Landkreis Kelheim verursacht die Jugendhilfe zusammen mit den anteiligen Personal- und Sachkosten mittlerweile rund 21,4 Millionen Euro – der Reinaufwand ist in den vergangenen zehn Jahren von 6,2 Millionen Euro auf voraussichtlich über 16 Millionen Euro angestiegen. Im Landkreis Regensburg gab es im gleichen Zeitraum eine Steigerung von 14,5 Millionen Euro auf voraussichtlich 42,0 Millionen Euro. Diese beschriebene Situation bedeutet für unsere Kreishaushalte eine erhebliche Schwächung. Konkret bedeutet dies:

– Erhöhung der Kreisumlage im Landkreis Kelheim um 1,7 Prozentpunkte auf
51,2 Prozent.
– Erhöhung der Kreisumlage im Landkreis Regensburg um 5,5 Prozentpunkte
auf 49 Prozent.

Alleine durch die Erhöhung der Kreisumlage sowie das Abrufen weiterer Einsparpotenziale ist es uns nur schwer möglich, geordnete Haushaltsverhältnisse herbeizuführen. Die Spielräume für weitere Erhöhungen werden aufgrund der
angespannten Haushaltssituation der kreisangehörigen Gemeinden ebenfalls bereits eng.

Sehr geehrte Herren, wir benötigen in vielen Bereichen Veränderungen, weshalb wir Sie eindringlich bitten, uns für unsere Bezirke, Landkreise und vor allen Dingen für unsere Gemeinden eine Perspektive aufzuzeigen, ab wann und wie sich diese Spirale ändern soll. Die Gesetzesinitiative liegt auf Bundes- und Landesebene. Wir bitten Sie daher, sich dafür einzusetzen, dass die Ursprungsaufteilung der Kosten für die Eingliederungshilfe zumindest bei 35 Prozent verbleibt. Sogar von den Verbänden wurde 2018 vorgebracht, dass der Inhalt des Bundesteilhabegesetzes mit dieser Finanzierung nicht möglich ist. Wie sieht die Perspektive für die kommenden Jahre aus? Welche Maßnahmen ergreifen Bundes- und Staatsregierung für ihre Landkreise und Gemeinden?

 

Mit freundlichen Grüßen

Martin Neumeyer                              Tanja Schweiger
Landrat Landkreis Kelheim                 Landrätin Landkreis Regensburg

 

 

 

 

Pressestelle Landkreis Regensburg / TK

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