Mi, 29.06.2016 , 12:30 Uhr

Nach dem Brexit-Referendum: Großbritannien bleibt wichtig

Zum Thema „Europa im Wandel: die Zukunft des Europäischen Binnenmarktes“ lädt heute Abend (28.06.) die IHK Regensburg für Oberfpalz / Kelheim. „Unsere Region weist eine Exportquote von 55 Prozent auf. Die Folgen des britischen EU-Austritts werden auch unsere Unternehmen treffen“, schätzt der Hauptgeschäftsführer der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim, Dr. Jürgen Helmes.

IHK spricht mit Experten – Botschafter sagt ab

Beim Sommerempfang der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim ist Großbritannien Gastland. Zum Thema sprechen

 

Der britische Botschafter Sir Sebastian Wood sagte kurzfristig ab. Der Grund war die „Änderung unmittelbarer Prioritäten“, bestätigte Peter Burdack von der IHK.

 

„Die Verwerfungen für die Weltwirtschaft seien noch nicht absehbar. In jedem Fall werde sich der Außenhandel hiesiger Unternehmen mit Großbritannien fundamental verändern. „Die Briten verlassen den Binnenmarkt. Deutsche Firmen werden es künftig mit einem Drittland zu tun haben“.                                                                                                                                                                                                                         

Dr. Jürgen Helmes

 

 

IHK: Großbritannien bleibt wichtig für die Wirtschaft

 

 

Die Folgen des Brexits für die ostbayerische Exportwirtschaft und die Zukunft des europäischen Binnenmarkts beschäftigten rund 190 Gäste beim Sommerempfang Großbritannien in der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim. Jaguar-Fahrzeuge, Whiskey-Tasting und Dudelsackmusik verbreiteten britisches Feeling. Kurzfristig abgesagt hatten aufgrund der aktuellen Lage Botschafter Sir Sebastian Wood und Generalkonsul Paul Heardman. IHK-Präsident Gerhard Witzany warb in seiner Begrüßung für ein Weiterleben der deutsch-britischen Partnerschaft. „Insbesondere die außenwirtschaftliche Verflechtung zwischen unseren beiden Ländern steht für eine unverwechselbare Erfolgsgeschichte.“ Es komme angesichts des Referendums darauf an, „weder in Hysterie noch in Schockstarre zu verfallen“.

Auf dem Podium diskutierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes mit wichtigen Kennern der deutsch-britischen Beziehungen: Dr. Thomas Becker, der die Außenbeziehungen der BMW AG steuert, Dr. Ulrich Hoppe, der die Auslandshandelskammer in London leitet und der Europaabgeordnete Dr. Markus Pieper.

Kein schneller Austritt

Dass es zum schnellen Ausstieg Großbritanniens aus der EU kommen wird, bezweifeln alle Experten auf dem Podium. AHK-Experte Hoppe rechnet mit zweieinhalb Jahren, in denen sich auch für die Wirtschaft nicht viel ändern wird. BMW wird als wichtiger Investor die Insel sicherlich nicht verlassen. „Wir warten ab, was die Politik entscheidet“, sagt Dr. Thomas Becker. Trotz Brexit glaubt er an das Automobilland Großbritannien. „Die Briten müssen überhaupt erst einmal den Antrag stellen, legislativ kann sie die EU nicht zwingen, auszutreten“, erklärt Europapolitiker Piper. Er wird die wirtschaftsliberalen britischen Stimmen im Europaparlament vermissen. „Ohne die Briten wird es weniger wettbewerbsorientierte Wirtschaftspolitik in der EU geben“, prognostiziert der EU-Abgeordnete. Ob dann ein Freihandelsabkommen wie TTIP in der EU durchzusetzen sei, bezweifelt er.

EU neu definieren

Der Austritt Großbritanniens werfe die Frage nach der Zukunft der EU auf, gibt Dr. Jürgen Helmes zu bedenken. „Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf die ,ever closer union’ Frieden und Stabilität in Europa. Die ältere Generation weiß das noch. Doch wie können wir junge Leute heute für die europäische Gemeinschaft begeistern?“

EU-Politiker Pieper sieht zweierlei. Zum einen müssten die Erfolgsgeschichten der EU gezeigt werden. Als Beispiel nennt er Spanien, das nach einer restriktiven und ungeliebten EU-Rettungspolitik heute die Folgen der Finanzkrise überwunden habe. Zum anderen müsste die EU neu definieren, was ihre Kernthemen sind und was nicht. Hier kann sich Pieper mehr Volksbeteiligung vorstellen. Das könnte die EU-Bürger ins Boot holen. „Vielleicht gibt es dann auch eine bessere Wahlbeteiligung bei der Europawahl“, wünscht er sich.

Wirtschaftliche Folgen gering

Wenige Stunden vor dem Sommerempfang informierte Dr. Ulrich Hoppe von der AHK London beim Länderworkshop ostbayerische Unternehmensvertreter über die Lage im Land. Im Ausgang des Brexit-Referendums sieht er eine Abwahl des Establishments im Land. „Aufgrund seines Import-Überschusses wird Großbritannien aber in jedem Fall ein Interesse daran haben, mit den EU-Ländern Handel zu treiben“, sagt der Experte. Deutschland ist das wichtigste Einfuhrland für die Briten überhaupt.

Trotz der zu erwartenden politischen Umwälzungen geht Hoppe nicht davon aus, dass die Wirtschaft im Land einbricht. Sie wird langsamer wachsen, das Pfund wird schwanken. Für deutsche Exporteure bedeutet das erst einmal weniger Nachfrage und Wechselkursschwankungen. Es lohne sich dennoch, weiterhin in Großbritannien zu investieren. Zulieferbetriebe sollten prüfen, ob ihre Kunden auf lange Sicht mit Großbritannien planen. Zwar wird es keinen Exodus internationaler Konzerne von der Insel geben, aber die Frage nach dem Nutzen neuer Investitionen stelle sich schon.

Großbritannien sehe sich nun in der „splendid isolation“, einer glückseligen Insellage. Dennoch sieht Hoppe das Land beim Blick in die Glaskugel in fünf bis zehn Jahren als einen „assoziierten EU-Partner“. Es wird aus seiner Sicht mehr oder weniger die gleichen Rechte und Pflichten im Verhältnis zur EU geben, zum Beispiel keine Zölle, aber Transferleistungen aus London nach Brüssel.

 

pm/LS

 

 

Zur Übersicht

Das könnte Dich auch interessieren

30.04.2024 Bayern: Zahl der Arbeitslosen sinkt saisonüblich im April Die Arbeitslosenzahlen für April sind saisonüblich gesunken. Einen Überblick der Zahlen für Ostbayern finden Sie auf dieser Seite. 25.04.2024 Abgasmanipulation: Continental muss 100 Millionen Euro Bußgeld zahlen Im Zuge der Abgasmanipulationen hat der Autozulieferer Continental aus Sicht von Ermittlern die Aufsichtspflicht fahrlässig verletzt und muss 100 Millionen Euro Bußgeld zahlen. Das Unternehmen zahlt und ist froh über den Schlussstrich. 28.03.2024 Bayern: Zahl der Arbeitslosen sinkt im März minimal Zu Beginn des Jahres 2024 ist die Arbeitslosigkeit in Bayern saisonbedingt angestiegen. 15.03.2024 BMW Oberpfalz: 600 Neueinstellungen und steigende Produktionszahlen Das BMW Werk in Regensburg investiert und stellt weiter ein! 600 Neueinstellungen sind für das Jahr 2024 geplant. Weitere 200 Millionen Euro will BMW in eine langfristige Zukunftssicherung für die Standorte Regensburg und Wackersdorf investieren.