Der große Flutpolder in Wörthhof ist beschlossen. Wörths 2. Bürgermeister Gerhard Schmautz ist sauer.
"Ich habe eine gehörige Portion Wut im Bauch, wenn ich daran denke, wie mit den Betroffenen vor Ort umgegangen wird. Zuerst wird ein Gutachten unter Verschluss gehalten, dann wird es auf Druck der Presse veröffentlicht und am Tag danach gibt es eine Alibi-Videokonferenz, bei der die Beantwortung der Fragen im Chat nach den Vorträgen der Experten behandelt werden sollte. Als es soweit war, reichte die Zeit nicht mehr. Ich erwarte, dass ein Minister bei solch einer wichtigen Entscheidung sich vor Ort mit den Betroffenen austauscht." - Gerhard Schmautz, 2. Bürgermeister Stadt Wörth an der Donau
Für Schmautz sollen die Oberlieger die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Unterlieger 30 Jahre lang ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten. Viel wichtiger sei laut dem 2. Bürgermeister von Wörth die Konzentration auf Schutzmaßnahmen vor Starkregenereignissen und nicht "solch gigantische Monsterprojekte".
In den vergangenen Jahrzehnten sei der Region sehr viel zugemutet worden. "Staudamm mit 800 ha Grund, den die Landwirte hergegeben haben, weil die Politik versprochen hat, dass sie dann nichts mehr mit Hochwasser zu tun haben. Autobahn mit höchst unzureichendem Lärmschutz, Mero-Leitung, Steinbruch und nicht zuletzt eine Stromtrasse, deren ursprünglich geplanten Verlauf man den Menschen in Ingolstadt nicht zumuten konnte. Zu guter Letzt wurde Wörth und Brennberg in einer Nacht- und Nebelaktion dem Wahlkreis Schwandorf zugeteilt. Mit Schwandorf haben unsere Gemeinden nicht den geringsten Gemeinsamkeiten."
Die IG Polder will sich aber nicht so schnell geschlagen geben.
"Es reicht ganz einfach. Wir werden in der IG Polder zusammenhalten, lassen uns nicht auseinanderdividieren und werden uns notfalls auch juristisch wehren." - Gerhard Schmautz, 2. Bürgermeister Stadt Wörth an der Donau
Bereits am Montag hatte sich der Kreistag des Landkreises Regensburg mit dem Thema Flutpolder befasst. Der Kreistag sprach sich nach etwa 90-minütiger Debatte schließlich einstimmig für den von der IG Flutpolder vorgeschlagenen Resolutionstext aus. Die von der Kreistagsfraktion der CSU vorgelegte Resolution wurde mit Stimmenmehrheit (18 Ja- und 37 Nein-Stimmen) vom Kreistag abgelehnt.
Landrätin Tanja Schweige hatte die Resolution der IG Flutpolder präsentiert. Darin wird die Bayerische Staatsregierung unter anderem dazu aufgefordert, den Hochwasserdialog wieder aufzunehmen und zu Ende zu führen. Die Vorstellung der Studienergebnisse zu den Flutpoldern sei zwar wertvoll gewesen, ersetze aber keinen Dialog.
Auch die Kreistagsfraktion der CSU hatte in der Sitzung eine Resolution vorgelegt, die verhindern sollte, dass das Thema Flutpolder auf die Kabinettssitzung genommen wird.
„Damit haben Landrätin Schweiger und die bunte Koalition im Kreistag den Weg für einen Megapolder bei Wörthhof freigemacht“, so Sylvia Stiersdorfer und Peter Aumer in einem Statement.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Dienstag nach der Kabinettssitzung zur Entscheidung: «Wir wollen da keine Zeit verlieren.» Das Umweltministerium soll den laufenden Dialog mit den betroffenen Kommunen vor Ort weiterführen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), früher ein Gegner der Flutpolder, sagte, er freue sich, dass dieser Beschluss nun gefallen sei.
Glauber stützt sich auf eine jüngst veröffentlichten Studie des Landesamtes für Umwelt (LfU), die die Wirksamkeit von Poldern an den viel diskutierten Standorten Eltheim und Wörthhof im Landkreis Regensburg sowie Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) bestätigte. Demnach sind Polder beim Hochwasserschutz alternativlos.
Söder sagte, die Polder Wörthhof und Bertoldsheim sollten als letzte kommen. Baubeginn könnte dort 2031 und 2032 sein. Es gibt sieben weitere Standorte: Leipheim, Neugeschüttwörth, Helmeringen, Riedensheim, Großmehring, Katzau und Öberauer Schleife.
Flutpolder sind Rückhaltebecken, die im Fall eines drohenden Hochwassers geflutet werden und so erhebliche Wassermassen aus den Flüssen nehmen. Somit können in flussabwärts liegenden Regionen Überschwemmungen verhindert oder abgemildert werden.
Die Polder-Kette würde bei Extrem-Hochwassern rund 120 000 Menschen besser schützen. Kommunalpolitiker und Landwirte in den Polder-Gebieten hätten dezentrale Lösungen bevorzugt. Auch Naturschützer sprachen sich gegen die Polder aus.
Glauber sprach von einem guten Tag für den Hochwasserschutz in Bayern. «Der Freistaat reagiert damit konsequent auf die tragischen Sturzfluten und Hochwasserkatastrophen der vergangenen Wochen.» In Zeiten des Klimawandels komme das nächste Hochwasser mit Sicherheit, deswegen werde der bestmögliche Schutz benötigt. Die Flutpolder seien Bollwerke gegen Katastrophenhochwasser. «Jeder Polder kann eine Lebensversicherung für die Menschen sein.»
Der Studie nach würde ein Polder in Wörthhof mit einem Rückhaltevolumen von rund 30 Millionen Kubikmetern ein Hochwasser donauabwärts in Straubing um 40 Zentimeter und in Deggendorf um 24 Zentimeter reduzieren. Der Polder in Bertoldsheim würde für Ingolstadt ein 20 Zentimeter niedrigeres Hochwasser bedeuten.
Alternativen wie zum Beispiel Rückhaltebecken an den Zuflüssen zur Donau könnten den Hochwasserschutz durch Polder an der Donau nicht ersetzen. Das gleiche Rückhaltevolumen an den Zuflüssen reduziere den Hochwasserscheitel nicht einmal halb so stark wie Donau-Flutpolder.
Eine Verdoppelung der Rückhaltevolumen an Zuflüssen im Vergleich zu den Polder-Volumen würde lediglich etwa 70 Prozent der Polder-Wirkung erreichen. Eine Verbesserung des Staustufenmanagements an der Donau würde auch nur minimale Auswirkungen auf eine Hochwasserwelle haben.
Glauber betonte, die Interessen der Anlieger im Blick zu haben. An den künftigen Polder-Standorten bedeutet dies für Landwirte eine 100-prozentige Entschädigung für Ernteausfälle, falls die Polder geflutet werden müssten. Zudem sollen sie eine Einmalzahlung in Höhe von 20 Prozent ihres im Polder liegenden Grundstückswertes bekommen.
Vergangene Woche hatte sich Glauber in Kelheim mit Gegnern und Befürwortern der Flutpolder getroffen und um Solidarität geworben. Im Koalitionsvertrag 2018 hatte die Staatsregierung den Polderbau eigentlich für erledigt erklärt. Das Ergebnis der vertieften Studie brachte nun die Umkehr. Dieses Studienergebnis könne man nicht ignorieren, so der Umweltminister. Die Gegner bezweifeln dagegen die Wirksamkeit der Polder.
dpa/MB
Ein Teil unserer Berichte zur Flutpolder-Entscheidung und der Studie.