Mi, 16.08.2023 , 12:27 Uhr

Kabinett bringt Cannabis-Legalisierung auf den Weg

Die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland kann kommen. Das Bundeskabinett in Berlin beschloss nach dpa-Informationen am Mittwoch den entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Nach dem Beschluss im Kabinett muss das Gesetz noch durch Bundestag und Bundesrat. In der Länderkammer ist es nach Angaben des Gesundheitsministeriums aber nicht zustimmungspflichtig. Mit einem Inkrafttreten rechnet das Ministerium bis zum Jahresende.

Die Pläne sehen vor, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In speziellen Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Bereits vor der Verabschiedung hatte es erneute Kritik aus der Union und von Verbänden aus Justiz, Polizei und Gesundheitswesen gegeben. Sie warnen vor Gesundheitsgefahren für junge Menschen und vor Mehrbelastungen für Ermittler und Gerichte. Die Bundesregierung verteidigt das Vorhaben mit dem Argument, dass damit der Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität eingedämmt und Gesundheitsgefahren durch mögliche giftige Beimischungen reduziert werden könnten. Außerdem habe trotz des bisherigen Verbots der Konsum zugenommen.

 

Lauterbach nennt Cannabis-Gesetz «Wendepunkt»

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat den vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis als «Wendepunkt einer leider gescheiterten Cannabisdrogenpolitik» bezeichnet. «Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem», sagte der SPD-Politiker am Mittwoch laut einer gemeinsamen Mitteilung seines Ministeriums und des Bundesagrarministeriums.

Ziel sei es, den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen, das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen einzudämmen und die Konsumentenzahlen zu drücken. «Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Bestandteil des gesamten Gesetzesvorhabens», hieß es in der Mitteilung außerdem.

 

Aufklärungskampagne «Legal, aber…»

Das Gesundheitsministerium startete nach eigenen Angaben eine an junge Menschen gerichtete Aufklärungskampagne unter dem Motto «Legal, aber…». Damit werde schon während des Gesetzgebungsverfahrens dem Eindruck entgegengetreten, der Konsum von Cannabis sei ungefährlich. Ausgespielt werden soll die Kampagne vor allem über die digitalen Kanäle des Ministeriums.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sprach von einem «bedeutenden Schritt für eine fortschrittliche, realitätsnahe Drogenpolitik». Das Gesetz sorge für die überfällige Entkriminalisierung der zahlreichen Menschen, die Cannabis lediglich zum Eigenbedarf nutzten und stärke gleichzeitig den Jugendschutz.

 

Fragen und Antworten zum Thema

Was ist Cannabis überhaupt und wie wirkt es?

Cannabis ist der lateinische Name für Hanf. Das Harz an den Blüten der weiblichen Pflanze enthält laut Deutschem Hanfverband hohe Konzentrationen von Tetrahydrocannabinol (THC), das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Werden die getrockneten knollenartigen Blüten geraucht oder Produkte mit THC konsumiert, werden Nutzer «high»: Sie geraten je nach Menge und Konzentration in einen heiteren, oft albernen Zustand. Bei manchen Menschen ruft die Droge aber auch Angstzustände und Panik hervor. Der Rausch-Höhepunkt dauert ungefähr eine halbe Stunde an und ebbt dann langsam ab. Ein typisches Anzeichen dafür, dass jemand «bekifft» ist, sind stark gerötete Augen.

 

Wie weit verbreitet ist das eigentlich in Deutschland?

Das Bundesgesundheitsministerium verweist hier auf repräsentative Befragungen aus dem Jahr 2021. Darin gaben 8,8 Prozent aller Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren an, in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben. Bei den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sagten 9,3 Prozent, schon einmal im Leben Cannabis probiert zu haben. 1,6 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe gaben regelmäßigen Konsum an. Bei den jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) hatte die Hälfte schon einmal probiert. 8,6 Prozent gaben regelmäßigen Konsum in den vergangenen zwölf Monaten an.

 

Was konkret soll nun rechtlich neu geregelt werden?

Cannabis soll aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden, wo es bisher neben Heroin und anderen Drogen als verbotene Substanz gelistet und mit entsprechenden Strafvorschriften belegt ist. Ab 18 Jahren soll künftig der Besitz von 25 Gramm erlaubt sein – von Volumen und Gewicht in etwa vergleichbar mit zwei gehäuften Esslöffeln Blumenerde. Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

 

Soll Cannabis auch frei verkauft werden können?

Nein, erst einmal nicht, obwohl das der ursprüngliche Plan war – angelehnt an Länder wie Kanada oder einzelne US-Bundesstaaten. Dort gibt es spezielle Läden, in denen von Blüten («Gras») über fertig gerollte Joints bis hin zu mit Cannabis versetzten Süßigkeiten verschiedenste Produkte frei an Erwachsene verkauft werden. Das soll nun in Deutschland zunächst vereinzelt in Modellprojekten erprobt werden. Allerdings ist dafür auch erst noch ein gesondertes Gesetz nötig, das noch gar nicht vorliegt.

 

Wie genau soll das in diesen Cannabis-Vereinen laufen?

Dort sollen die Pflanzen «gemeinschaftlich» und «nicht-gewerblich» angebaut und ausschließlich an Vereinsmitglieder abgegeben werden dürfen. Die Finanzierung läuft über den Mitgliedsbeitrag. Pro Verein sind maximal 500 Mitglieder erlaubt. Pro Tag dürfen maximal 25 und pro Monat höchstens 50 Gramm pro Mitglied ausgegeben werden – bei unter 21-Jährigen nicht mehr als 30 Gramm im Monat mit maximalem THC-Gehalt von zehn Prozent. Die Droge darf nur in einer «neutralen Verpackung» mit Beipackzettel ausgegeben werden, auf dem Gewicht, Erntedatum, Mindesthaltbarkeitsdatum, Sorte und Wirkstoffgehalt angegeben sind.

Räume und Grundstücke der Cannabis-Clubs müssen umzäunt und einbruchssicher gestaltet werden. Gewächshäuser brauchen einen Sichtschutz. Jeder Verein soll ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept erstellen und einen Sucht- und Präventionsbeauftragten benennen müssen, der sich schulen lassen und regelmäßige Auffrischungsschulungen machen muss.

 

Welche Regeln sind noch geplant?

Kiffen in den Cannabis-Clubs und deren Nähe soll verboten sein, genauso wie im Umkreis von 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kindergärten oder Spiel- und Sportplätzen und in Fußgängerzonen zwischen 7.00 und 20.00 Uhr.

 

Ab wann darf in Deutschland legal ein Joint geraucht werden?

Das Bundesgesundheitsministerium schreibt auf seiner Webseite, dass das Cannabis-Gesetz Ende des Jahres in Kraft treten könnte. Bis dahin bleibt die Droge verboten, auch wenn der Besitz kleiner Mengen schon lange vielerorts gar nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Der genaue Zeitpunkt des Inkrafttretens hängt davon ab, wie schnell das Vorhaben nach der Sommerpause im Bundestag beraten und beschlossen wird. Auch der Bundesrat muss sich wie bei jedem Gesetz formal damit befassen, kann es aber wohl nicht stoppen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist es in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig. Das CSU-regierte Bayern etwa ist strikt gegen eine Legalisierung.

 

Was spricht für eine Legalisierung von Cannabis, was dagegen?

Hier tobt eine aufgeladene Debatte: Befürworter und die Bundesregierung argumentieren damit, dass die Verbotspolitik gescheitert sei, da trotzdem immer mehr gekifft wird. Dann lieber qualitativ korrekte Produkte begrenzt freigeben, ohne möglicherweise giftige Beimischungen und mit Klarheit über den THC-Gehalt, so das Argument. Außerdem könnten so der Schwarzmarkt und die organisierte Drogenkriminalität eingedämmt werden. Gegner befürchten dagegen eine «Normalisierung» der Droge, sinkende Hemmschwellen auch bei Jugendlichen und verweisen auf Gefahren des Cannabis-Konsums für das noch nicht ausgereifte Gehirn bei Heranwachsenden.

 

dpa

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