Der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat den Vorwurf einer mangelhaften Aufarbeitung des Missbrauchskandals bei den Domspatzen zurückgewiesen. «Eine «Chronologie der diözesanen Aufarbeitung von 2010 bis 2016» gibt detaillierte Auskunft über die Tatsachen, die oft weit von verbreiteten Fehlurteilen abweichen», sagte Kardinal Müller der Deutschen Presse-Agentur in Rom, bevor der Abschlussbericht zu den Vorfällen am Dienstag veröffentlicht wurde.
Erst ab 2010 habe es Meldungen von Straftaten gegeben, «die schon Jahrzehnte vor meinem Amtsantritt Ende 2002 begangen wurden. Die meisten Täter waren schon lange zuvor gestorben», betonte Müller, der Anfang Juli von Papst Franziskus als Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan abberufen wurde. «Um den Opfern zu helfen, wurden Diözesanbeauftragte bestellt, die mit einer Kommission von Experten den Anzeigen sorgfältig nachgehen.» Müller verwies zudem auf einen Hirtenbrief. Darin habe er die Opfer aufgerufen, sich zu melden.
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Betroffene hatten Müller vorgeworfen, die Aufklärung zu behindern. Dies änderte sich unter dem neuen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Generalvikar Michael Fuchs räumte deshalb am Dienstag Fehler ein: «Wir sehen heute, dass wir früher manches besser hätten machen können.» So sei es nicht richtig gewesen, darauf zu warten, dass sich Betroffene meldeten. Man hätte aktiv auf sie zugehen müssen. In dem Abschlussbericht heißt es, Müller müsse eine klare Verantwortung für die strategischen, organisatorischen und kommunikativen Schwächen zugeschrieben werden.
Missbrauchsbeauftragter fordert Entschuldigung von Kardinal Müller
Im Missbrauchsskandal bei den Domspatzen hat der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung eine Entschuldigung des früheren Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller gefordert. «Es wäre den Betroffenen zu wünschen, dass er sich wenigstens jetzt für die verschleppte Aufarbeitung entschuldigen würde», sagte Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch). «Unter dem damaligen Bischof Müller wurde eine umfassende, proaktive Aufarbeitung unter Einbeziehung von Betroffenen leider versäumt», sagte Rörig der Zeitung weiter.
Dem heutigen Kardinal Müller wurde bereits von Betroffenen vorgeworfen, die Aufklärung zu behindern. Müller hatte diesen Vorwurf zurückgewiesen. Auch der Abschlussbericht zur Aufklärung des Missbrauchskandals bei den Regensburger Domspatzen kommt zu dem Ergebnis, dass die Aufarbeitung mit erheblichen Schwächen behaftet gewesen sei. Dem Bericht zufolge wurden mindestens 547 Chorknaben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt.
dpa/MF