Schmutzige Diesel könnten bald aus Städten mit dicker Luft verbannt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hält Fahrverbote für zulässig. Es betont aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Das Bundesverwaltungsgericht hält Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht für grundsätzlich zulässig. Die beklagten Städte Düsseldorf und Stuttgart müssten aber ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen, urteilte das Gericht in Leipzig am Dienstag. Revisionen gegen Urteile der Vorinstanzen wurden zurückgewiesen.
Das Urteil sieht zudem Übergangsfristen und eine phasenweise Einführung von Fahrverboten vor. In Stuttgart seien Fahrverbote nicht vor dem 1. September 2018 möglich. Außerdem solle es Ausnahmeregelungen etwa für Handwerker geben. Es gebe aber keine finanzielle Ausgleichspflicht. «Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen», sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen «Flickenteppich» zu verhindern.
Die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf hatten entschieden, Luftreinhaltepläne müssten verschärft werden - dabei seien auch Fahrverbote in Betracht zu ziehen. Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen argumentierten dagegen, es brauche eine neue bundesweite Rechtsgrundlage. Diese Auffassung wiesen die Richter in Leipzig nun zurück.
Seit Jahren werden in vielen Städten Luftverschmutzungs-Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen oder verschlimmern können. Der Verkehr, darunter vor allem Dieselautos, macht in Städten nach Angaben des Umweltbundesamts mehr als 60 Prozent der Belastung aus. Für die Einhaltung von Grenzwerten, die seit 2010 gelten, laufen seit Jahren Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Auch die Verfahren in Düsseldorf und Stuttgart gingen auf DUH-Klagen zurück.
Deutschland hat wegen der Luftverschmutzung in Städten auch Ärger mit der EU. Die EU-Kommission hatte die bisherigen Anstrengungen für bessere Luft als nicht ausreicheichend kritisiert und die schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte gefordert - andernfalls droht eine Klage gegen Deutschland beim EuGH.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr über die Straßenverkehrsordnung eine neue Rechtsgrundlage für Kommunen schaffen will, um Fahrverbote für einzelne Straßen zu erlassen. Die Städte fordern stattdessen eine bundesweit einheitliche Regelung wie eine «blaue Plakette» für relativ saubere Autos, mit der Fahrverbote sich auch einfacher kontrollieren ließen. Die Bundesregierung lehnt die Einführung einer solchen Plakette bisher ab.
Auf TVA-Nachfrage bestätigte Regensburgs dritter Bürgermeister Jürgen Huber (GRÜNE), dass sich durch das Urteil für Fahrzeughalter nichts ändern wird.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes führt zu einem massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. "Kommunen dürfen nicht für die Versäumnisse der Autoindustrie haftbar gemacht werden", sagte Dr. Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nur über die Luftreinhaltepläne der Städte Düsseldorf und Stuttgart verhandelte, hat die Entscheidung dennoch deutschlandweit Auswirkungen. Für jede Stadt, in der Grenzwerte überschritten werden, können jetzt Fahrverbote für ältere Diesel-Pkw als Option in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden.
„Wir brauchen gute Alternativen statt Verbote. Fahrverbote in deutschen Städten sind nicht im Sinne der Kommunen. Verschiedene Zonen, Blaue Plaketten, Fahrverbote für einzelne Autos – all diese Formen der Ausgrenzung einzelner Fahrzeugarten gefährden die Innenstädte als Lebensader der Kommunen. Denn derartige Maßnahmen verhindern nicht
nur Privatfahrten mit Dieselfahrzeugen, sondern auch etwa den Liefer- und Behördenverkehr und Fahrten von Einsatzkräften wie Feuerwehr, Krankenwagen und Polizei. Sie gehen zu Lasten von Bürgerinnen und Bürgern, Pendlern und Touristen, von Handel und Gewerbe. Fahrverbote sind eine Gefahr für ein pulsierendes Leben in den Zentren der Kommunen.“
Dr. Uwe Brandl, CSU, Bayerischer Gemeindetagspräsident
Gleichwohl führt kein Weg daran vorbei, dass die Luft in den Städten und Gemeinden wieder sauber werden muss. Das kürzlich vom Bund initiierte Sofortprogramm zur Luftreinhaltung reicht dazu nicht aus. Denn es legt den Schwerpunkt auf Änderungen im Mobilitätsverhalten, die erst mittelfristig wirksam werden. Daher muss der Bund als nationale Instanz des Umweltschutzes umgehend ein Programm zur Umrüstung von Dieselmotoren der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 auflegen. "Der Feldversuch des ADAC hat bewiesen, dass eine solche Nachrüstung mit Katalysator-Systemen technisch machbar und finanziell darstellbar ist", betonte Brandl. Bezahlen müssen dies die Autohersteller, die die Schadstoffmisere durch den Einbau von Abschaltsoftware herbeigeführt hätten. "Es ist Aufgabe des Bundes, die Firmen dafür in die Pflicht zu nehmen oder notfalls selbst einzuspringen", so Brandl. Auf keinen Fall dürfen die Besitzer/innen von Diesel-Pkw mit diesen Zusatzkosten belastet werden.
dpa/pm/LS