Mi, 17.06.2020 , 14:55 Uhr

Bayern: Knapp 800 Verfahren wegen Corona-Betrugs

Kriminelle versuchen verstärkt, aus der Corona-Krise Profit zu schlagen. Sie fälschen Anträge auf Soforthilfe oder geben sich als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus. Knapp 800 Ermittlungsverfahren wegen Corona-Betrugs sind derzeit am Laufen.  

 

Einer beantragt die Corona-Soforthilfe gleich dutzendfach in mehreren Bundesländern – für Firmen, die es nicht gibt, oder mit denen er nichts zu tun hat. Einer finanziert mit der Soforthilfe einen fabrikneuen Lamborghini: Die Staatsanwaltschaften in Bayern haben in Hunderten Fällen Ermittlungen wegen Corona-Betrugs eingeleitet. Mindestens 771 Verfahren zählt Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Mittwoch in München. Kriminelle hätten sich «flexibel und wahnsinnig schnell» auf die Pandemie eingestellt.

Einen Schwerpunkt der Ermittlungen bildet seinen Angaben zufolge der Betrug bei Anträgen auf Corona-Soforthilfen. Bei den Staatsanwaltschaften im Freistaat laufen mindestens 163 Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren dazu. «Bei Anträgen von weiteren 2,2 Millionen Euro besteht zudem der Verdacht auf falsche Angaben.» In diesen Fällen sei das Geld aber nicht ausgezahlt worden.

 

Rund 1 Million Corona-Soforthilfe gefordert

Einen besonders dreisten Fall schilderte Hildegard Bäumler-Hösl von der Staatsanwaltschaft München I. Die Behörde ermittelt gegen einen Mann aus Nordrhein-Westfalen, der allein in München 23 Anträge auf Corona-Soforthilfe beantragt hat. Insgesamt forderte er so – auch mit Hilfe von Fake-Identitäten – rund eine Million Euro.

Die Stadt aber wurde stutzig, zahlte nicht und informierte die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA). Die entdeckten bei ihren Ermittlungen, dass auf dem Konto des Mannes bereits Soforthilfen aus NRW, Baden-Württemberg und Berlin in Höhe von insgesamt rund 60 000 Euro eingegangen waren. Außerdem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass er in mindestens sechs weiteren Bundesländern Anträge gestellt hat. Insgesamt summieren sich die unberechtigten Forderungen auf einen zweistelligen Millionenbereich. Allein in NRW soll der 13-fach vorbestrafte Mann, der unter Vorspiegelung einer falschen Identität bei einer davon ahnungslosen Frau lebte, 29 Anträge auf Corona-Soforthilfe gestellt haben, 25 000 Euro zahlten die Behörden aus. «Das ist der krasseste Fall, den wir kennen – bisher», sagte Bäumler-Hösl.

 

In einem anderen Fall hatte ein Beschuldigter mit mutmaßlich falschen Angaben 30 000 Euro Soforthilfe erschlichen – und 20 000 dafür gleich für die Anzahlung auf einen fabrikneuen Lamborghini genutzt.

 

Weitere Betrugsmaschen

Zu den 163 Fällen von falschen Angaben bei den Anträgen auf die Soforthilfen kommen bayernweit mindestens 608 Fälle von neuen Corona-Betrugsmaschen hinzu, beispielsweise Erpresserschreiben, bei denen die Kriminellen damit drohen, die ganze Familie mit dem Coronavirus anzustecken. Daneben gibt es nach Angaben Eisenreichs «Corona-Fake-Shops» im Internet, die gefälschte Medikamente oder nicht existente Impfstoffe verkaufen. Auch von der Betrugsmasche «falscher Polizist» gibt es inzwischen eine Corona-Variante. Dabei geben sich Kriminelle als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus und geben vor, Corona-Tests durchführen zu wollen, um in die Wohnung ihrer Opfer zu kommen. Andere behaupten, ein Angehöriger sei mit dem Corona-Virus infiziert und brauche dringend Geld.

Ob diese Fälle dazu führten, dass die Kriminalitätsrate insgesamt steige, können man noch nicht sagen, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft München I, Hans Kornprobst. Bei vielen anderen Delikten – beispielsweise Ladendiebstahl oder Drogenhandel auf der Straße – seien die Zahlen wegen des Lockdowns vermutlich rückläufig. Im Übrigen seien wegen der Pandemie auch einige Straftäter ins Visier der Justiz geraten, die ihr sonst womöglich verborgen geblieben wären.

Denn bei der Kontrolle der Corona-Maßnahmen deckten Ermittler in dutzenden Fällen eher zufällig Straftaten auf. «Wir haben eine nicht unerhebliche Zahl an Straftaten, die durch Corona-Kontrollen entdeckt wurden», sagte Kornprobst. Beispielsweise seien immer wieder Drogen entdeckt worden, wenn Nachbarn die Polizei wegen einer verbotenen Corona-Party gerufen hätten. «Allein 65 Verfahren sind auf solche Kontrollen zurückzuführen.»

 

dpa

 

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