Nach den verheerenden Hochwassern in Niederbayern und Mittelfranken hat der Bund Naturschutz (BN) erneut mehr dezentrale Schutzprojekte gefordert. Nur so könne langfristig solch großer Schaden, wie er Anfang des Sommers entstanden war, verringert werden, sagte BN-Chef Hubert Weiger am Mittwoch im mittelfränkischen Scheinfeld. Schutzvorrichtungen an den großen Flüssen reichten bei zunehmenden Starkregenereignissen nicht mehr aus. Vielmehr müsse das Problem an der Wurzel gepackt werden: mit Projekten in ganz Bayern auch an kleineren Zuflüssen. «Hochwasserschutz muss an der Quelle beginnen», sagte Weiger.
Dazu gehörten die Renaturierung von früher begradigten Gewässern, unbewirtschaftete Uferstreifen und auch eine Reduzierung des Maisanbaus. Dieser verschlimmere die Erosion des Bodens – und damit brächten die Wassermassen auch zunehmend Schlamm mit sich – wie etwa in Simbach am Inn (Landkreis Rottal-Inn) vor gut zwei Monaten.
Stattdessen müssten wieder mehr Wiesen als Überflutungsgebiete geschaffen werden, sagte Weiger. «Wir haben hier dringenden Handlungsbedarf.» Durch Hochwasser entstünden Milliardenschäden. Doch wenn es gelänge, landesweit dezentrale Projekte umzusetzen, könne der Schaden mindestens halbiert werden. Der Freistaat müsse die Kommunen dafür unterstützen – auch bei der Vorsorge gegen kleinere Hochwasser.
«Hochwasserschutz in der Fläche hat oberste Priorität», sagte dazu Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) nach Angaben eines Sprechers. Bis zum Jahr 2020 investiere Bayern 3,4 Milliarden Euro in den Ausbau des Hochwasserschutzes. Den Kommunen stelle der Freistaat dafür jährlich rund 23 Millionen Euro zur Verfügung. Scharf appellierte an die Gemeinden, die Fördersummen auch abzurufen und Projekte anzupacken. Bei Bedarf werde das Umweltministerium noch deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen.
Inzwischen gebe es in Bayern rund 500 kleine und sehr kleine Hochwasser-Rückhaltebecken. «Rückhaltemaßnahmen an kleinen Gewässern haben große Bedeutung für den örtlichen Hochwasserschutz», sagte auch Scharf. Für eine überregionale Wirkung bei großen Hochwassern seien aber große Maßnahmen wie gesteuerte Flutpolder oder Hochwasserspeicher nötig. Auf der Kabinettsklausur vergangene Woche habe die Staatsregierung beschlossen, den Hochwasserschutz in der Fläche noch weiter zu stärken.
Der BN nennt als positives Beispiel für eine dezentrale Maßnahme das Talauenprojekt von neun Gemeinden im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim. Hier wurden nach starken Hochwassern 1993 und 1995, die ganze Tallandschaften überfluteten, unter anderem mehrere Wasserrückhaltebecken im Oberlauf der Gewässer gebaut. Inzwischen hat die Region kaum noch Probleme mit Hochwasser.
Der Landtagsabgeordnete Markus Ganserer (Grüne) forderte eine Art Masterplan für Bayern – um zu sehen, wo bisher am häufigsten Hochwasser auftraten und wo die Schäden am größten waren. Hier müsse man als erstes ansetzen. Er kritisierte zudem, Bayern sei das einzige Bundesland, in dem fünf Meter breite, unbewirtschaftete Uferstreifen keine Pflicht seien.
dpa