Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) rasch Corona-Hilfen auch für die vielen kleine Brauereien mit Brauereigasthöfen gefordert. Sie würden im Vergleich zu Bäckereien mit Cafés weiterhin massiv benachteiligt. Viele Existenzen und die Vielfalt der bayerischen Bierkultur stünden auf dem Spiel, sagte Aiwanger am Donnerstag nach einem Treffen mit Brauern und Verbänden in München.
«Man hat ja fast den Eindruck, die wollen Bayern was auf die Mütze geben, weil es dieses Problem im Norden nicht in dem Ausmaß gibt», sagte er. Scholz solle die Hilfen endlich anpassen und die bayerischen Brauereigaststätten nicht weiter ausgrenzen.
Notwendig sei auch eine Öffnungsstrategie für die Gastronomie «Richtung Ostern». Mit immer mehr Impfungen, Schnelltests und guten Hygienekonzepten sollten «in fünf, sechs Wochen mindestens die Außengastronomie, die Biergärten» öffnen können, sagte Aiwanger und beklagte: «Die bayerische Lebensfreude ist seit einem Jahr in den Keller gesperrt».
Für den Bayerischen Brauerbund forderte Hauptgeschäftsführer Lothar Ebbertz neben Hilfen «für Brauereigasthöfe, die bislang fast alle durchs Förderraster fallen», auch eine Fixkostenerstattung für nicht verkäufliches Fassbier, das wegen der Lockdowns nach Ablauf der Haltbarkeit jetzt zu tausenden Hektolitern weggeschüttet werden müsse. Jedes dritte Bier in Bayern wird in normalen Zeiten in der Gastronomie oder auf Volksfesten verkauft.
Wenn sich im Bund nichts bewege, sollte Bayern selbst helfen, sagte Ebbertz. Der oberfränkische Brauer und Gastwirt Michael Schmitt zeigte sich nach dem Treffen enttäuscht und überrascht, «dass (Ministerpräsident Markus) Söder nichts macht».
Aiwanger erklärte: «Wenn wir zu schnell mit den bayerischen Millionen winken, sagt der Bund: Alles in Butter.» Aber der Bund müsse den durch die Lockdowns unverschuldet in Not geratenen Brauereien ebenso helfen wie anderen Branchen. Damit sie nach der Coronakrise wieder auf die Beine kommen, sollte der Bund auch den Verlustvortrag ausweiten und die Mehrwertsteuer auf Getränke in der Gastronomie auf sieben Prozent senken.
Etwa die Hälfte der deutschen Brauereien stehen in Bayern. Rund 90 Prozent davon sind familiengeführte Betriebe. Sie dürften nicht zu Museen für Schulklassen werden: «Wir sind mit 640 bayerischen Brauereien in die Krise hineingegangen. Ich will nicht, dass wir mit Importbier aus China und den USA aus der Krise herausgehen», sagte Aiwanger.
Der Tourismus-Experte der Grünen im Landtag, Christian Zwanziger, sagte: «Dieses ständige Hin- und Herschieben von Verantwortung zwischen der Bundesregierung und der Söder-Regierung habe ich satt. Unsere unzähligen, regionaltypischen Brauereigaststätten dürfen nicht am langen Arm der Bundesregierung verhungern und durch das Nichts-Tun der Söder-Regierung auf der Strecke bleiben.» Die Bamberger Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Badum sagte, CDU und CSU blockierten sich auf Bundes-und Landesebene gegenseitig, und die Freien Wähler schauten zu.
dpa
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat den bayerischen Brauereien tatkräftige Unterstützung zugesagt. Nach dem bayerischen Brauereigipfel erklärte Aiwanger: „Die Brauereien stehen für ein wichtiges bayerisches Kulturgut. Sie sind unverschuldet stark von der Coronakrise betroffen worden. Die Brauer brauchen jetzt eine Perspektive durch Wiederöffnungen der Gastronomie in Richtung Ostern, bessere Bedingungen bei der Auszahlung der Wirtschaftshilfen durch den Bund und steuerliche Erleichterungen, damit das Geld für einen guten Neustart reicht.“
Beim bayerischen Brauereigipfel schilderten Brauer aus allen sieben bayerischen Regierungsbezirken sowie den Verbänden Private Brauereien Bayern und Bayerischer Brauerbund dem Wirtschaftsminister ihre schwierige wirtschaftliche Lage durch Coronakrise und Lockdown. Vereinbart wurde ein zeitnaher Folgegipfel unter Einbeziehung der Bayerischen Staatskanzlei und des Gesundheitsministeriums. Aiwanger: "Es stehen viele Existenzen auf dem Spiel. Die Brauer haben durch die Schließung der Gastronomie Zukunftsängste. Mir ist wichtig, dass die enorme Vielfalt der Brauereien und Brauereigaststätten in Bayern erhalten bleibt. Deshalb braucht die Branche Perspektiven. In Richtung Ostern muss die Gastronomie mit guten Hygienekonzepten, klaren Abstandsregeln und dem Einsatz von Schnelltests wieder öffnen können."
Im Fall der Wirtschaftshilfen durch die Bundesregierung sagte Aiwanger zu, in Berlin erneut Nachbesserungen für die Brauereigaststätten bei der Überbrückungshilfe III einzufordern. "Brauereien und Brauereigaststätten gehören genauso unterstützt wie Bäckereien mit angeschlossenen Cafés. Der Bund, vor allem der Finanzminister sollte das endlich verstehen und die Wirtschaftshilfen so anpassen, dass der Branche geholfen werden kann", erklärte Aiwanger. Wichtig sei, dass wegen des Lockdowns nicht verkäufliches Fassbier als verderbliche Ware eingestuft und als Fixkosten im Rahmen der Überbrückungshilfe III erstattet wird. Mit einer solchen Lösung würde den Brauern schon aus der Patsche geholfen.
Für den Neustart nach der Coronakrise forderte der Minister eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen, von denen auch die Brauereibranche profitieren würde. Aiwanger: "Es braucht eine Ausweiterung des steuerlichen Verlustrücktrags auf mindestens zwei Jahre sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent auch bei Getränken. Schankwirtschaften, Restaurants, Hotels und auch Brauer würden dadurch zusätzliche finanzielle Spielräume gewinnen, die sie brauchen, um nach der Coronakrise wieder auf die Beine zu kommen."
Aiwanger appellierte an die Brauereivertreter, das vorhandene staatliche Unterstützungspaket aktiv und zügig zu nutzen: "Es löst sicherlich nicht alle Schwierigkeiten, aber es mindert zumindest die Auswirkungen der Umsatzeinbrüche ab, die der harte Lockdown hervorgerufen hat."
Die Vertreter der Brauereiverbände begrüßten den Einsatz des bayerischen Wirtschaftsministers. Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer Bayerischer Brauerbund: „Der Brauerbund und die vertretenen Brauereien sind dankbar, dass Staatsminister Aiwanger ihren drängenden Sorgen Gehör schenkt. Wenn sich im Bund nichts bewegt, sollte Bayern über Möglichkeiten nachdenken, selbst zu helfen. Bayerns Brauer brauchen vor allem dreierlei: Umfassende Hilfen für ihre Brauereigasthöfe, die bislang fast alle durchs Förderraster fallen, eine angemessene Entschädigung für tausende Hektoliter Bier, die jetzt vernichtet werden müssen, weil sie ihr Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen und endlich eine verlässliche Perspektive, unter welchen Bedingungen sie sich auf die Wiedereröffnung der Gastronomie einstellen können. Unsere Brauereigasthöfe sind ein wichtiges Stück bayerischer Brautradition und Genusskultur, aber auch touristischer Infrastruktur.“
Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer Private Brauereien erklärte: „Unsere kleinen und mittelständischen Brauereien in Bayern brauchen dringend staatliche Unterstützung, um die Coronakrise bewältigen zu können und mit Perspektiven in die Zukunft zu starten. So sind Erleichterungen bei der Biersteuer ebenso unabdingbar wie eine zeitnahe und unter Hygieneaspekten verantwortbare Öffnungsstrategie für die Gastronomie. Nach wie vor fehlt den Brauereigaststätten die dringend benötigte November- und Dezemberhilfe, mit der die Verluste aus der Einstellung des Gaststättenbetriebes zumindest teilweise kompensiert werden könnten.“
Der oberfränkische Brauer und Brauereigasthof-Besitzer Mike Schmitt (Pretzfeld) sagte: „Es ist fünf vor zwölf für kleine Brauereien. Ich habe dem Wirtschaftsminister meine Enttäuschung zur Situation der Brauereien im Corona-Lockdown geschildert. Im Gegensatz zu anderen Landespolitikern ist es klasse, dass Herr Aiwanger ein offenes Ohr für unsere Sorgen hat. Ich setze große Hoffnung in ihn, dass er sich für uns Brauer in Berlin stark macht und für Verbesserungen kämpft.“
In Bayern sind rund 90 Prozent der 640 Brauereien familiengeführte Betriebe. Der regionale Schwerpunkt in der bundesweiten Biererzeugung mit etwa 1500 Betrieben liegt damit im Freistaat, wo mehr als 4.000 unterschiedliche Biersorten gebraut werden. Insgesamt wurden in Bayern 2020 annähernd 23 Millionen Hektoliter Bier hergestellt. Insgesamt sind (ohne Gastronomie) rund 13.000 Menschen bei den bayerischen Brauereien beschäftigt. Im Jahr 2018 erwirtschafteten sie einen Umsatz von 3,451 Milliarden Euro.
Mitteilung Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie