
Gerhart Hauptmanns Sozialdrama auf Bairisch
Waldfestspiele Bad Kötzting: 2024 gibt es „Die Weber“
Ein erster Blick auf den Festspielsommer nächstes Jahr. Die Festspielgemeinschaft gibt ihr neues Stück bekannt - wer hätte dafür Requisiten?
Ein Klassiker des Sozialdramas
Die FSG wird in der Saison 2024 bei den Waldfestspielen eine neue Produktion präsentieren. Nach dem bunten und turbulenten Zaubermärchen „Da Asch’nmo“ wagt sich die Laientheatergruppe nun nach einigen vorrangig unterhaltsamen und/oder tragikomischen Produktionen wieder an einen ernsten Stoff. Mit einer Bearbeitung von Gerhart Hauptmanns Sozialdrama „Die Weber“ aus dem Jahr 1892 bringt die FSG Hauptmanns bedeutendsten Theatertext und ein Schlüsselwerk des Naturalismus auf die Bühne.
Ein hochaktueller Stoff
Gerhart Hauptmann (1862 – 1946) behandelt darin den historischen Weberaufstand in Schlesien 1844. Er beschreibt die ungeheure Not, das Elend und die große Verzweiflung der Weberschaft, die schließlich zur Revolte und zum Aufstand gegen die Fabrikanten führt: Ein hungerleidender Weberjunge bricht zusammen, zwei junge Weber wiegeln die anderen auf, es kommt zu Protesten vor der Villa des Fabrikanten Dreißiger. Die Situation eskaliert.
Trotz seiner historischen Vorlage hat der Stoff – leider – nicht an Aktualität eingebüßt; Armut, Ausbeutung und Lohndrückerei gehören längst nicht der Vergangenheit an.
Bei Erscheinen verursachte das Stück einen echten Theaterskandal: Aufgrund seiner Sprengkraft wurde es erst einmal mit einem Aufführungsverbot belegt. Denn Hauptmann schildert in fünf Akten mit großer Authentizität die prekäre Situation der ausgebeuteten Weber, die sich zunächst einzeln und zaghaft, dann als immer größer werdende Gruppe gegen ihre Unterdrücker wehren.
Ein starkes Kollektiv – passend für die FSG
Dies ist eine Besonderheit an Hauptmanns Drama: Nicht eine einzelne Person steht im Fokus, sondern eine ganze gesellschaftliche Gruppe. Hauptfigur, „Held“ des Dramas, sind „die Weber“ und deren Schicksal als Kollektiv. Hauptmann entwirft ein Gesellschaftspanorama mit nur fünf großen, schlaglichtartigen Bildern, das über seine Gruppendynamik einen starken Sog entwickelt.
Äußerst passend für eine gut aufgestellte, starke und wieder neu zusammengewachsene Gruppe wie die FSG. Ein Stück voll unterschiedlichster, fordernder Charakterrollen. Denn auch Einzelschicksale von Weberfamilien werden gezeigt, die sich zu einem großen Ganzen formen. Demgegenüber stehen als Feindbild die Gewinner: Die Mitglieder und Vertrauten der Fabrikantenfamilie Dreißiger. Als große Klammer dient das Spottlied vom „Blutgericht“, das Szene für Szene gewaltiger wird. Ein Abend, der intensiv und eindringlich zu werden verspricht, faszinierend durch den Wechsel an großen, atmosphärischen Bildern und anrührenden, aufrüttelnden intimen Szenen.
Authentizität ist gefragt
Hauptmann legte bei seiner Arbeit größten Wert auf Authentizität: Angeregt durch die eigene Familiengeschichte – sein Vater war ebenfalls Weber, sein Großvater hatte selbst den Aufstand noch miterlebt –, recherchierte er (für damalige Autoren ungewöhnlich) direkt vor Ort. 1891 hatten sich die Verhältnisse im schlesischen Eulengebirge kaum verändert, er sah, wie er resümierte, „das Elend in seiner klassischen Form“: desolateste Wohnverhältnisse, zerlumpte Elendsgestalten.
Eine Veranschaulichung dieses Elends und eine entsprechende Wahrhaftigkeit in der Darstellung verlangt sein Stück – eine spannende Herausforderung. Was der FSG dabei entgegenkommt: Hauptmann schrieb sein Stück, um noch wirklichkeitstreuer zu sein, überwiegend im schlesischen Dialekt. Hier liegt also eine Übertragung des Klassikers ins Bairische besonders nahe.
Bewährtes Team
Die Übertragung und Bearbeitung der Fassung sowie die szenische Umsetzung liegt dabei wieder in den Händen des neuen künstlerischen Leitungsteams der Waldfestspiele, Regisseur Sascha Edenhofer und Dramaturgin Barbara Schöneberger. Auch bei der Ausstattung darf sich die FSG auf bewährte Größen verlassen: Antje Adamson entwirft die Kostüme, Franz Bachl leitet den Bühnenbau und Corinna Eichinger das Team der Maske.
Die historische Realität
Die industrielle Revolution mit der Einführung der mechanischen Webstühle bedroht das in Deutschland damals noch in Heimarbeit ausgeführte Weberhandwerk. Um irgendwie konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Weberfamilien Tag und Nacht schuften und sogar ihre kleinen Kinder mit heranziehen. Trotzdem reicht es nicht einmal für das Nötigste. Die Fabrikanten drücken die Löhne, um überhaupt Gewinn erzielen zu können und die verzweifelten Menschen fühlen sich gnadenlos ausgebeutet. Auswanderung ist keine Möglichkeit, deshalb entlädt sich schließlich im Juni 1844 die ganze Hoffnungslosigkeit in einem Aufstand.
Weber stürmen die Häuser der Unternehmer und die Fabriken, vernichten und plündern Waren und Vorräte, zerschlagen mechanische Webstühle. Die preußische Regierung schlägt den Aufstand brutal und blutig nieder. Zwar erlangt das Schicksal der Weber in der deutschen Presse erstmals Aufmerksamkeit, an den Zuständen ändert sich vorläufig aber nichts.
Spieltermine:
Premiere am Samstag, 27. Juli 2024
7 weitere Vorstellungen am 30. Juli, 2./3./4./6./9./10. August 2024
Requisiten gesucht
Mithilfe ist gefragt! Die FSG sucht bereits jetzt nach passenden Requisiten und Ausstattungsmaterial für die Bühne und freut sich über Spenden.
Gesucht werden: Jute- und Leinenstoffe, Jutesäcke, andere alte Webstoffe, Stoffballen etc. / Webstühle, Garnspulen, Spinnräder und andere Utensilien des Weberhandwerks / Altes Fensterglas.
Außerdem ist jede Person willkommen, die mit Fachwissen und bairischen Fachausdrücken aus dem Weberhandwerk unterstützen kann.
Gerne mit Rückmeldung über info@waldfestspiele.de.
Die Handlung noch einmal ausführlich
Arme und ausgemergelte Weber liefern in der Fabrik von Dreißiger ihre heimgewebten Erzeugnisse ab. Viel zu gering ist der Lohn, den sie erhalten. Expedient Pfeifer, ein ehemaliger Weber, der den Wert der Arbeiten festsetzt, lehnt jede Bitte um einige Pfennige Lohnerhöhung oder Vorschuss erbarmungslos ab. Stattdessen versucht er die Löhne weiter zu drücken. Der junge Weber Bäcker protestiert lautstark und wird prompt entlassen. Ein kleiner Junge bricht entkräftet zusammen. Fabrikant Dreißiger schiebt die Schuld auf dessen Eltern. Er sieht seinen Ruf gefährdet und versucht die Leute mit hohlen Phrasen über das schwere Los des Unternehmers zu beschwichtigen.
Auch bei Familie Baumert, die in der Hütte des Häuslers Ansorge wohnt, herrscht bittere Not. Es ist nichts Essbares im Haus. Vater Baumert kommt von Dreißiger zurück, mit Reservist Moritz Jäger im Schlepptau. Ihm geht es besser als den Webern und er führt hitzige Reden. Baumert, der seinen kleinen Hund geschlachtet hatte, um endlich wieder Fleisch zu bekommen, kann das Gekochte nicht bei sich behalten. Gegen das Jammern und Weinen liest ihnen Moritz Jäger das Lied vom Blutgericht vor. Alles klingt heraus: Verzweiflung, Wut, Rachedurst. Rasend stimmt der alte Baumert ein und auch der alte Ansorge ist entschlossen: Das muss anders werden, jetzt auf der Stelle!
Im Gasthaus unterhalten sich ein Reisender und Tischler Wiegand über den Aufruhr, der unter den Webern gärt. Das stichelnde Geschwätz des Reisenden reizt die hinzugekommenen Weber. Sie stimmen, vom Schmied Wittig aufgestachelt, das Weberlied an. Jetzt kann auch Gendarm Kutsche es nicht mehr verhindern, singend ziehen die Aufrührer durch die Straßen.
Aber Moritz Jäger, der Rädelsführer, wird festgenommen und in Dreißigers Villa gebracht, wo gerade eine Abendgesellschaft mit Pastor Kittelhaus stattfindet. Als er nach dem Verhör mit dem Polizeiverwalter abgeführt werden soll, sind die Weber draußen nicht mehr zu halten. Sie befreien Jäger und misshandeln den Pastor, der gutgläubig dazwischentritt. Dreißiger kann sich mit seiner Familie gerade noch in Sicherheit bringen, bevor die Weber in der Wut sein Haus verwüsten.
Der fromme alte Weber Hilse im Nachbardorf ist anderer Ansicht, er glaubt nicht an den Erfolg des Aufstandes. Der Hausierer Hornig berichtet, dass schon Militär zur Niederwerfung unterwegs ist. Hilses Schwiegertochter Luise begrüßt den Aufruhr mit fanatischer Begeisterung und nötigt auch ihren Mann Gottlieb, sich anzuschließen. Hilse nimmt nicht teil, der einarmige Alte arbeitet beharrlich und gottergeben an seinem Webstuhl weiter. Tatsächlich werden die Soldaten zurückgeschlagen. Da kracht unverhofft eine letzte Salve …
FSG Bad Kötzting/EK