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Corona in Bayern

Bayern: Regierung stellt Konzept für Luftfilter an Schulen vor - Kritik von Lehrern und Politikern

Corona-Tests an Schulen auch im Herbst

Dabei handelt es sich beispielsweise um Lolly- oder Lutsch-Tests, die für Kinder leichter sein sollen. Alle Proben einer Klasse werden gesammelt per PCR-Test untersucht - also mit dem genaueren und empfindlicheren Testverfahren. Sollte die Probe positiv sein, müssen die Kinder einzeln getestet werden. Besonders bei geringem Infektionsgeschehen sei dies eine effiziente und kostenschonende Möglichkeit für Reihentestungen, so die Staatskanzlei. Man werde nun «zeitnah» Labor- und Logistikkapazitäten schaffen, Schulen informieren und bei Bedarf auch Schulungen anbieten. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zufolge sollen auch die PCR-Pool-Tests zweimal pro Woche gemacht werden. Sollten die Sieben-Tage-Inzidenzen wieder über 100 steigen, könne es einen zusätzlichen Schnelltest zu Beginn der Woche geben. Derzeit ist die Pandemie in Bayern weitgehend unter Kontrolle. Doch die Delta-Variante schafft auch hier Sorgen. Um auch im Herbst Präsenzunterricht gewährleisten zu können, muss noch viel passieren. Deshalb wird es auch an Bayerns Schulen nach den Sommerferien noch für längere Zeit verpflichtende Corona-Tests geben. Das kündigte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München an. An weiterführenden Schulen soll es wie bisher bei Selbsttests bleiben. An Grund- und Förderschulen wird dagegen umgestellt: Dort sollen vom neuen Schuljahr an sogenannte PCR-Pool-Tests die Regel sein.

 

Wettlauf um Luftfilter

Um ab Herbst den Präsenzunterricht in Bayern für die in der Regel meistens ungeimpften Schülerinnen und Schüler aufrechtzuerhalten, müht sich der Freistaat zudem, mehr Tempo in die Ausstattung von Klassenzimmern mit Luftreinigungsfiltern zu bekommen. Das Land stelle dafür 190 Millionen Euro zur Verfügung, so Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Mit dem Geld sollen rund 60 000 Klassenzimmer und 50 000 Räume in Kindertagesstätten mit mobilen Luftreinigern versorgt werden können. Zudem gebe Bayern Geld, um Angebote zu finanzieren, die Schülern das Nachholen von versäumten Unterrichtsstoff ermöglichen sollen.
Die Luftreiniger sollen die Virenlast in der Raumluft verringern und so die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus senken. Herrmann rief die Kommunen - die eigentlich für die Schulen zuständig sind - auf, das Geld abzuschöpfen. Die Geräte seien vom Land bis zu 50 Prozent förderfähig. Den Rest müssen die Kommunen selbst aufbringen.
Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU), kritisierte, Kommunalpolitiker würden "mit einem noch nicht klar definierten Förderprogramm" unter Druck gesetzt.

Damit werden bei Schülerschaft, Eltern und Lehrerschaft zu hohe Erwartungen geweckt, die sich in der Praxis nicht schnell erfüllen lassen,

sagte er.
Unklar sei etwa noch, welche Geräte geeignet seien, welche Vergaberichtlinien gälten und wer die "erheblichen Folgekosten" für Wartung und Pflege trage.
Ob die Luftfilter Mitte September nach den Sommerferien wirklich überall vorhanden sein werden, kann niemand garantieren. Piazolo gab sich optimistisch, dass das Verfahren nun Fahrt aufnehme. Aber es gebe auch Abläufe, die eingehalten werden müssten. Es dürften keine Fabrikate zur Anschaffung empfohlen werden. Es gebe nun aber eine Liste an Modellen, die das Verfahren erleichtern soll. Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) betonte, dass mit den Filtern die Kinderbetreuung sicherer werde, es aber auch wichtig bleibe, dass Angebote für Tests und Impfungen angenommen würden. Piazolo betonte, seit dem Wegfall der Maskenpflicht am Sitzplatz im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof seien die Infektionszahlen "erfreulicherweise" nicht gestiegen. Gerade bei den Grundschulkindern sei die Inzidenz stark gefallen. Erfreulich sei auch, dass sich von dieser Woche an 275 000 Kinder impfen lassen könnten.

 

Noch viele Fragen offen

Konkrete Angaben zur Höhe der Kosten, zum möglichen Zeitrahmen und zur Ausgestaltung des angedachten Förderprogramms wurden leider noch nicht getroffen. Die Kommunalpolitik in den Rathäusern begleitet die Versprechen der Staatsregierung mit Skepsis, denn es stellen sich viele Fragen für die Praxis: Welche Vergaberichtlinien gelten? Müssen bei größeren Beschaffungen zeitaufwändige europaweite Ausschreibungen stattfinden? Sind mobile Geräte tatsächlich für eine effiziente Luftreinigung geeignet, zumal sie das Lüften nicht ersetzen können? Sind manche Geräte zu laut für die Praxis des Unterrichts in Klassenzimmern? Welche Geräte sind geeignet und können für die Praxis empfohlen werden? Besteht die Gefahr, mobile Lüftungsgeräte zu erwerben, die sich dann im Betrieb ab Herbst 2021 für den Einsatz gegen Viren und Aerosole als ungeeignet erweisen? Wer übernimmt die erheblichen Folgekosten für die Wartung und Pflege der Geräte?

 

Kritik von Lehrern und Politikern

Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Oberbürgermeister Markus Pannermayr, äußert sich in einer ersten Einschätzung zur Ankündigung der Bayerischen Staatsregierung nach der Sitzung des Ministerrats für ein Förderprogramm zur Anschaffung von Lüftungsgeräten an Schulen kritisch:

Der Freistaat will bei einer Summe von bis zu 190 Millionen Euro die Beschaffung von mobilen Lüftungsgeräten an Schulen mit bis zu 50 Prozent fördern. Die restlichen Kosten fallen auf die Kommunen. Der Freistaat will damit bewusst keinen Konnexitätsfall auslösen (nach dem Motto: wer anschafft, muss auch bezahlen). Sehr problematisch bleibt aus der Sicht vieler Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker: Die Ankündigung weckt bei Elternschaft, Schülerschaft und Lehrerschaft zu hohe Erwartungen. Zum einen ist nach wie vor nicht geklärt, welchen Beitrag mobile Lüftungsgeräte im Sinne des Infektionsschutzes tatsächlich leisten können. Das ist aber die entscheidende Frage. Zudem ist höchst fraglich, ob sich tatsächlich bis zum Schuljahresbeginn alle insgesamt rund 100.000 Klassenzimmer und 52.000 Kita-Räume in Bayern mit Lüftungsgeräten ausstatten lassen.

Und auch der Lehrerverband zeigte sich enttäuscht von der heutigen Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung, nur eine Empfehlung für die Ausstattung aller bayerischen Klassenzimmer zu geben und auch nur maximal 50% der Kosten zu übernehmen. Der Vorsitzende des Verbands der Lehrer an beruflichen Schulen (VLB) Pankraz Männlein stellte fest:

Da sich eine vierte Pandemiewelle im Herbst nach Ansicht vieler Experten klar ankündigt und bis zum Start des neuen Schuljahres nur noch 10 Wochen verbleiben, muss unter allen Umständen das Risiko erneuter Schulschließungen mit diesen wissenschaftlich erprobten Geräten reduziert werden.

Zudem machte der Minister zahlreiche Einschränkungen in Bezug auf einen Kostendeckel, die verfügbare Liefermenge und langwierige Ausschreibungsverfahren. Die Ausstattung der Schulen mit Luftfiltern ist außerdem noch immer von der Kofinanzierung der Kommunen abhängig. Hintergrund ist die schon länger laufende Debatte zwischen der Staatsregierung und den Spitzenverbänden der bayerischen Kommunen um die Kostenübernahme für diese Schutzausstattungen für Schüler:innen und Lehrkräfte. Da es um die Gesundheit bzw. um das Leben von Menschen geht, erwartet der VLB, dass die Finanzierungsfragen schnellstmöglich geklärt werden.

Ein Bekenntnis zum Präsenzunterricht hält das Virus vermutlich nicht in Zaum. Die gesamte Schulfamilie wartet noch immer auf das längst überfällige Zeichen der Vernunft,

so Männlein abschließend.

Oberbürgermeister Markus Pannermayr verweist zudem auf den intensiven Erfahrungsaustausch mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern und deren Stimmung in den letzten Tagen:

Die Kommunen wollen nicht Gefahr laufen, auf die Schnelle Lüftungsgeräte zu erwerben, die sich letztlich als zu teuer oder zu wenig effektiv für die Lufthygiene erweisen. Die Gefahr von Fehlkäufen unter Zeitdruck und unter den Marktbedingungen von steigender Nachfrage ist erheblich. [...] Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden mit einem noch nicht klar definierten Förderprogramm des Freistaats unter Druck gesetzt. Damit werden bei Schülerschaft, Eltern und Lehrerschaft zu hohe Erwartungen geweckt, die sich in der Praxis nicht schnell erfüllen lassen. Es wäre notwendig gewesen, bereits im Vorfeld mit den Sachaufwandsträgern in den Kommunen den engen Kontakt zu suchen, um die Fülle ungeklärter Fragen zu besprechen. Vor allem hätte deutlich früher geklärt werden müssen, welche Geräte geeignet sind und welche Standards für Geräte nötig sind, um möglichst guten Schutz für Lernende und Lehrende zu gewährleisten. Dann hätte es auch eine realistische Chance gegeben, die Geräte bis zum Beginn des neuen Schuljahres verfügbar zu haben.

 

Bekämpfen der Impfmüdigkeit in der Bevölkerung

Unterdessen bereitet Impfmüdigkeit in der Bevölkerung zunehmend Sorgen. "Wir müssen jeden Tag dafür werben, dass wir Impfwillige finden", sagte Holetschek. Der Impfstoff müsse jetzt zu den Menschen gebracht werden. Er stelle sich vor, dass man sich die Corona-Impfung "praktisch im Vorbeigehen" verabreichen lassen kann. Auch bei den 18- bis 25-Jährigen sehe er noch viel Potenzial. Dazu passend können sich Impfwillige nun auch bei Aufenthalten in Krankenhäusern impfen lassen. Nach Regierungsangaben haben derzeit in Bayern 54 Prozent der Bevölkerung eine Erstimpfung erhalten. Rund 38 Prozent sind vollständig geimpft. Zuletzt hatten sich Berichte gehäuft, dass kaum Interesse an Sonder-Impfaktionen bestand - besonders, wenn der Impfstoff von Astrazeneca im Angebot war.
Holetschek will den Impfstoff jedoch nicht verfallen lassen. "Wir werden alles tun, um darzustellen, wofür wir Astrazeneca einsetzen können." Als Beispiel nannte er Kreuzimpfungen mit anderen Impfstoffen. "Der Versuch ist schon noch da, deutlich zu machen, dass das eine sinnvolle Alternative sein kann." Auch Auffrischungsimpfungen etwa in Pflegeheimen seien ein Thema.

Die Corona-Lage sei in Bayern weiterhin vergleichsweise entspannt, auch wenn sich die gefährlichere Delta-Variante weiter ausbreite. Inzwischen gingen 25 Prozent der Neuinfektionen auf diese Variante zurück. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Bayern derzeit bei 5,4.

 

Bayerischer Städtetag/dpa/Verband der Lehrer/JM

 

Mehr Informationen zum Thema und zur heutigen Pressekonferenz finden Sie hier:

 

Ergebnisse der heutigen Kabinettssitzung und DEHOGA Maßnahmenpaket: Corona in Bayern vom 06. Juli 2021
In Corona in Bayern vom 06. Juli 2021 hat u.a. Minister Florian Hermann die Teststrategie sowie ein Konzept für Luftfilter für Schulen bekannt gegeben. Außerdem fordern die bayerischen Wirtshäuser und Gaststätten im DEHOGA-Maßnahmenpaket weitere Lockerungen.

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