
Prozessstart
Regensburg/München: IS-Paar wegen Völkermord angeklagt
Es ist das erste Mal, dass es das Oberlandesgericht München mit so einer Anklage zu tun hat. Tatvorwurf: Völkermord. Auf der Anklagebank sitzt ein irakisches Ehepaar, beide Mitglieder des IS, zuletzt wohnhaft in Roth und Regensburg.
Versklavung, Vergewaltigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Es sind schreckliche Vorwürfe, mit denen das Oberlandesgericht München sich befasst. Dort hat der Prozess gegen ein irakisches Ehepaar begonnen, das zwei jesidische Mädchen als Sklavinnen gekauft, ausgebeutet und sexuell missbraucht haben soll. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen unter anderem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.
Das Ehepaar hatte sich den Erkenntnissen der Ermittler zufolge der Terrororganisation Islamischer Staat angeschlossen, der im Zuge der Bürgerkriege in Syrien und im Irak einen Gottesstaat unter Geltung der Scharia errichten wollte.
Fünfjähriges Mädchen als „Brautgabe“
Nach Angaben des anklagenden Generalbundesanwalts soll der Mann seiner Frau kurz nach der islamischen Hochzeit auf deren Wunsch zwischen Oktober und Dezember 2015 ein damals fünf Jahre altes jesidisches Mädchen als sogenannte Brautgabe gekauft haben. Das Kind wurde demnach daraufhin mehr als zwei Jahre lang im Irak und in Syrien von dem Paar gefangen gehalten, wirtschaftlich als Arbeitskraft sowie sexuell ausgebeutet, erniedrigt, gequält und vergewaltigt.
Gleiches soll einem zweiten jesidischen Mädchen widerfahren sein, das der Anklage zufolge Anfang Oktober 2017 als Zwölfjährige von dem Paar gekauft worden war. In der Anklage heißt es:
Sobald die jesidischen Sklavinnen aus Erschöpfung die Arbeit einstellten oder Fehler machten, wurden sie von den beiden Angeschuldigten misshandelt.
Sie seien beispielsweise gezwungen worden, eine halbe Stunde auf einem Bein zu stehen und hätten außerdem an islamischen Gebeten teilnehmen müssen. Einmal soll der Angeklagte mit einem Besenstiel zugeschlagen haben, weil der Kaffee angebrannt war. Als die Jüngere erst sieben Jahre alt war, soll die Angeklagte, die mit ihrem mitangeklagten Ehemann selbst eine Tochter hat, sie mit heißem Wasser verbrüht haben.
Beide Kinder wurden Ende November 2017 an andere IS-Kämpfer weitergereicht. Während das ältere Mädchen wenig später von ihrer Familie freigekauft werden konnte, ist das Schicksal des jüngeren Mädchens ungeklärt.
Im Prozess geht es zunächst um ganz andere Vorwürfe
Doch im Prozess geht es zunächst um ganz andere Vorwürfe: Noch bevor die Anklage mit den grausamen Vorwürfen verlesen werden konnte, wurde der Prozess für eine sehr lange Pause unterbrochen. Denn der Angeklagte, ein 43-Jähriger, gab an, zu krank für die Verhandlung zu sein. Er könne nicht zuhören.
Angeklagter erhebt Vorwürfe gegen JVA Gablingen
Während seiner Haft in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen, die wegen Misshandlungsvorwürfen gegen Mitarbeiter Schlagzeilen machte, sei er zusammengeschlagen, unter Drogen gesetzt und monatelang in einer Zelle im Keller eingesperrt worden sein – ohne persönliche Dinge und ohne Kontakt zu seinem Anwalt.
Der Senat, dem diese Vorwürfe laut Gerichtssprecher Laurent Lafleur zuvor nicht bekannt waren, hakte bei der aktuellen Gefängnisleitung nach. Denn weder der Angeklagte noch seine Verteidiger hätten diese Vorwürfe vorher schon einmal erhoben. Zwar teilt die im Gablingen-Komplex ermittelnde Staatsanwaltschaft Augsburg auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit:
Die angesprochenen Vorwürfe sind Gegenstand der Ermittlungen.
Aus der JVA-Gablingen heißt es nach Angaben des Vorsitzenden Richters Philipp Stoll, der Angeklagte habe sich doch nie beschwert und sei auch nie in den umstrittenen besonders gesicherten Hafträumen (BGH) untergebracht gewesen.
Protokolleinträge ergaben, dass der 43-Jährige sich auch schon bei seiner polizeilichen Vernehmung auf Gesundheitsprobleme berief. Ein Arzt bescheinigte ihm dann allerdings nach einer langen Unterbrechung Verhandlungsfähigkeit. Kommenden Montag soll der Prozess weitergehen, für die darauffolgende Woche haben die Anwälte der angeklagten Frau die Aussage ihrer Mandantin angekündigt. Ihr Mann will nach Angaben seiner Verteidiger zunächst schweigen. Insgesamt sind 44 Verhandlungstage angesetzt.
dpa / LB