
Beschluss des Bayerischen Kabinetts
Bayern: Entscheidung gefallen - Flutpolder werden gebaut
Wie das Bayerische Kabinett heute in einer Pressekonferenz mitteilte, sollen die umstrittenen Flutpolder zum Hochwasserschutz nun doch gebaut werden. Die Polder in Wörthhof und Eltheim im Landkreis Regensburg sollen zu einem in Wörthhof zusammengefasst werden, wodurch der Standort Eltheim wegfällt.
Die umstrittenen Flutpolder zum Hochwasserschutz entlang der Donau sollen kommen. Das bayerische Kabinett beschloss am Dienstag die Umsetzung eines entsprechenden Vorschlags von Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte:
"Wir wollen da keine Zeit verlieren." - Markus Söder, Ministerpräsident
Polder an neun Standorten
Glauber hatte sich auf eine Studie des Landesamtes für Umwelt (LfU) vor allem an den umstrittenen Standorten Eltheim und Wörthhof im Landkreis Regensburg sowie Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) gestützt. Demnach seien die Polder beim Hochwasserschutz ohne Alternative. Die Polder trügen entscheidend dazu bei, donauabwärts liegende Gebiete auch bei Extrem-Hochwassern zu schützen.
Flutpolder sind Rückhaltebecken, die im Fall eines drohenden Hochwassers geflutet werden und so erhebliche Wassermassen aus den Flüssen nehmen. Insgesamt geht es um eine Flutpolder-Kette, bei der zusätzlich zu den sieben bereits gesetzten Standorten Leipheim, Helmeringen, Neugeschüttwörth, Riedensheim, Großmehring, Katzau und Öberauer Schleife beschlossen wurde, den Standort Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) beizubehalten. Die gesteuerten Flutpolder in Wörthhof und Eltheim (Landkreis Regensburg) sollen zu einer neuen wirkungsgleichen Variante in Wörthhof zusammengefasst werden.
Die Realisierung der Standorte Wörthhof und Bertholdsheim soll als letzte erfolgen in den Jahren 2031 und 2032. Rund 120.000 Menschen können mit den Flutpoldern entlang der Donau zusätzlich vor Extremhochwassern geschützt werden, das Schadenspotenzial liegt dabei bei über 9 Milliarden Euro. Naturschützer und Landwirte bevorzugen allerdings dezentrale, naturnähere Lösungen.
Zudem soll der Hochwasser-TÜV auf den Weg gebracht werden. Für Gewässer erster und zweiter Ordnung ist der Staat zuständig; für diejenigen dritter Ordnung die Kommunen. Auch ein Sirenenprogramm wurde beschlossen. Der Katastrophenschutz soll jedoch Ländersache bleiben.
Vertiefte Untersuchungen - herausragende Rolle der Flutpolder
Grundlage der heutigen Entscheidung sind vertiefte Untersuchungen mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die das Bayerische Landesamt für Umwelt im Auftrag des Umweltministeriums zu den möglichen Flutpolder-Standorten Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof durchgeführt hat. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen die herausragende Rolle dieser Flutpolder, um extreme Hochwasserereignisse wirksam kappen zu können. Weitere Rückhaltemöglichkeiten an den großen Seitenzuflüssen der Donau können die geplanten Flutpolder hingegen ebenso nicht ersetzen wie ein optimiertes Staustufenmanagement. Auch die Grundwassersituation an den drei Standorten wurde noch einmal untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Realisierung ohne negative Veränderungen der Grundwassersituation für die Anlieger erfolgen kann.
Bei Straubing kann durch das Flutpolder-Programm die Scheitelwelle um knapp 40 Zentimeter reduziert werden, am Pegel Deggendorf um bis zu 24 Zentimeter.
"Ein guter Tag für den Hochwasserschutz"
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber betonte dazu, dass heute ein guter Tag für den Hochwasserschutz in Bayern sei. Entlang der Donau soll eine Kette von neun Flutpoldern kommen. Der Freistaat reagiere damit konsequent auf die tragischen Sturzfluten- und Hochwasserkatastrophen der vergangenen Wochen, so Glauber weiter.
"Die Entscheidung ist ein Meilenstein für die Hochwassersicherheit. Wir brauchen den bestmöglichen Schutz für die Menschen. In Zeiten des Klimawandels kommt das nächste Hochwasser mit Sicherheit. Unsere neuen vertiefenden Untersuchungen haben deutlich gezeigt: Flutpolder wirken und sind durch nichts zu ersetzen. Die Flutpolder sind Bollwerke gegen Katastrophenhochwasser. Jeder Polder kann eine Lebensversicherung für die Menschen sein. Dabei haben wir auch die Interessen der Anlieger im Blick. Wir setzen auf Dialog und Transparenz im weiteren Verfahren." - Thorsten Glauber, bayerischer Umweltminister
Politiker uneinig über Kabinettsbeschluss
Die Behandlung der Polder-Frage nach kurzfristiger Tischvorlage war auch für Tobias Gotthard von den Freien Wählern überraschend. Schlecht fände der Landtagsabgeordnete die Entscheidung aber für unsere Region nicht. Dass das Aus für den Polder Eltheim nun beschlossen wurde, sei eine politische Entscheidung, für die er Umweltminister Glauber ehrlich dankbar sei:
"Unter CSU-Ägide hatten wir in der Polderfrage 2 minus 0. Nach zwei Jahren Glauber sind wir bei 2 minus 1 und zahlreichen Alternativen, allem voran der dezentrale Rückhalt. Ein wichtiger Zwischenerfolg."- Tobias Gotthard, MdL
Zudem rückt Wörthhof in der geplanten Polderkette mit dem geplanten Baubeginn frühestens 2031 ganz nach hinten.
"Wenn überhaupt, denn: vor jedem Planungs- und Realisierungsschritt ist die Notwendigkeit des Polders neu zu überprüfen - gerade in Hinblick auf dann bereits realisierte Maßnahmen wie der so lange verschleppte, von Glauber forcierte Ausbau des HQ115 in Niederbayern."- Tobias Gotthard, MdL
Dies seien Punkte, an denen man einhaken werde - gemeinsam, wissenschaftlich fundiert. Zudem werde der Hochwasserdialog für die Region fortgeführt - auch das sei eine wichtige Ansage des Umweltministers, der die Anliegen der Betroffenen berücksichtige, so der Landtagsabgeordnete weiter.
"Es gilt weiter: die Würfel sind geworfen, nicht gefallen. Wir sind und bleiben im Spiel." - Tobias Gotthard, MdL
Laut Landrätin Tanja Schweiger spiegele der heutige Beschluss des Bayerischen Kabinetts, wonach das Flutpolderkonzept ohne den Polder Eltheim weiter verfolgt wird, zwar nicht die Erwartung der Bürger wider, die nach dem Aus im Koalitionsvertrag suggeriert wurde. Dennoch müsse man feststellen, dass der Hochwasserdialog im Januar 2017 mit den beiden Poldern Eltheim und Wörthhof als möglicher Start des Raumordnungsverfahrens endete, so die Landrätin weiter. Die Argumentation im Hinblick auf die Auswirkungen im Grundwasser wäre durch den Wegfall des Polders Eltheim nun als ein Erfolg einer sachlichen und fachlich fundierten Argumentation bestätigt worden.
"Die direkte Betroffenheit für viele Bürger in Pfatter, Geisling, Mintraching bis nach Neutraubling sei nun weg, dennoch werde der Landkreis weiterhin solidarisch an der Seite der Wörther für einen vernünftigen, gesamtgesellschaftlich wichtigen Hochwasserschutz kämpfen. Der Kreistag hat dies gestern auch mit einer einstimmigen Resolution zum Ausdruck gebracht und sich damit hinter die IG Polder gestellt." - Tanja Schweiger, Landrätin
Jetzt könne aufgrund einer neuen Faktenlage, auch mit den Erfahrungen der jüngsten Starkregenkatastrophen, ein neuer Hochwasserdialog starten, nach dem die Hochwasserstrategie stärker auf dezentrale Regenrückhaltung auszurichten sei, meint Tanja Schweiger abschließend.
Aber auch kritische Stimmen zu dem heutigen Beschluss der Landesregierung werden laut. So äußert sich Rainer Mißlbeck, CSU-Vorsitzender im Kreistag Regensburg, wie folgt:
„Der Kreistag hätte in seiner gestrigen Sitzung den heutigen Polderbeschluss des Kabinetts verhindern können. Mit der Annahme der Resolution hätte der Kreistag ein eindeutiges Signal nach München senden können. Dies hat die Landrätin verhindert.“
Die beiden Abgeordneten Sylvia Stierstorfer und Peter Aumer nehmen wie folgt Stellung zum Beschluss des Kabinetts:
„Entgegen aller Zusagen, erst über Flutpolder abzustimmen, wenn der Hochwasserdialog abgeschlossen ist, haben die Freien Wähler auf die Entscheidung über Flutpolder in der heutigen Kabinettssitzung gedrängt. Auf ihren Druck hin ist nun die Entscheidung gefallen, dass in der Region Regensburg bei Wörthhof ab 2031 ein Flutpolder von der Größe des Tegernsees gebaut werden soll."
Nach langer Diskussion habe gestern der Kreistag des Landkreises Regensburg die Aufforderung an das Bayerische Kabinett, das Thema Flutpolder heute nicht auf die Tagesordnung zu nehmen, mehrheitlich abgelehnt. Damit habe Landrätin Schweiger und die bunte Koalition im Kreistag den Weg für einen Megapolder bei Wörthhof freigemacht, so die beiden Abgeordneten.
Bürgerbüro Tobias Gotthardt/Landkreis Regensburg/dpa/stk Bayern/stmuv Bayern/Peter Aumer/JM